Stärkung des "präventiven Datenschutzes" gefordert

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte hat sich bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts 2007 angesichts der zunehmenden Präventivüberwachung für eine vorsorgliche Sicherung der Privatsphäre ausgesprochen.

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Angesichts der zunehmenden präventiven staatlichen Überwachung hat sich der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Thilo Weichert, als Korrekturmaßnahme für eine stärkere vorsorgliche Sicherung der Privatsphäre ausgesprochen. Ganz in diesem Sinne steht der am heutigen Dienstag veröffentlichte Tätigkeitsbericht 2007 des ULD (PDF-Datei) unter dem optimistischen Titel: "Der präventive Datenschutz startet durch". Mit Leben gefüllt haben die Kieler Datenschützer diesen Begriff gemäß dem 180 Seiten umfassenden Report insbesondere mit den Instrumenten des Datenschutz-Gütesiegels und des vorgeschalteten Auditverfahrens. Hier haben die Schleswig-Holsteiner Weichert zufolge mit der umstrittenen Zertifizierung eines Updateproduktes von Microsoft "eine wichtige Schallmauer" durchbrochen und dem Prüfverfahren eine internationale Dimension verliehen.

Bei der EU-Kommission stehe zudem das Projekt EuroPriSe (European Privacy Seal) kurz vor der Genehmigung, das unter Leitung des ULD gemeinsam mit 6 weiteren europäischen Partnern das Gütesiegel des Landes europaweit verbreiten soll, freut sich der Chef der Einrichtung. Um auch den "bundesweit starken Zuspruch" zu befriedigen, verfolge man das Ziel einer bundesgesetzlichen Verankerung des Verfahrens. Gütesiegel und Audit seien aber nur zwei von einer Vielzahl weiterer Instrumente, mit denen der präventive Datenschutz vorangebracht werde. So gewinne die strukturelle Unternehmens- und Behördenberatung beim ULD eine immer wichtigere Bedeutung. Über den Vorsitz in der Arbeitsgruppe Versicherungswirtschaft der Datenschutzaufsichtsbehörden versucht die Einrichtung dabei, zunächst in einer Branche bundesweit Standards zu etablieren. Für ein gutes Datenschutzmanagement spreche, dass damit auch eine Optimierung des IT-Einsatzes und der Arbeitsabläufe erreicht werde.

Eitel Sonnenschein herrscht bei den Kieler Datenschützern aber nicht. "Im vergangenen Jahr kam es so zu einigen, teilweise auch öffentlich ausgetragenen Konflikten", konstatiert Weichert. So sei dem schlewsig-holsteinischen Innenministerium etwa partout nicht klarzumachen gewesen, dass die Pläne für eine Polizeirechtsnovelle nicht nur verfassungsrechtlich höchst problematisch, sondern zugleich ein Bärendienst für die Polizei und die Sicherheit des Landes seien. "Einige gravierende Schutzlücken konnten im inzwischen verabschiedeten Polizeirecht geschlossen werden, doch blieben und bleiben einige mehr als fragwürdige Regelungen erhalten", moniert der ULD-Leiter. Seine Einrichtung werde nun etwa die Einführung des Kfz-Kennzeichen-Scannings, der Schleierfahndung sowie der elektronischen polizeilichen Vorgangsdokumentation kritisch begleiten. Darüber hinaus habe sich auch das Bildungsministerium bis zuletzt geweigert, bei seinen Planungen zu einer Schüler-Individualstatistik die Anforderungen des Datenschutzes zu berücksichtigen.

Ein Blick über die Elbe offenbart für Weichert zudem, "dass außerhalb unseres Landes der Datenschutz noch nicht ausreichend in unsere informationsgesellschaftliche Kultur Eingang gefunden hat". Mit dem Argument der Missbrauchs- und Kriminalitätsbekämpfung würden immer wieder neue Datenerhebungs- und Verarbeitungsbefugnisse gewährt und neue Verarbeitungssysteme in Betrieb genommen, wobei als "Sesam-öffne-Dich für Informationsbegehrlichkeiten" seit dem 11. September 2001 die Bekämpfung von Terrorismus und darüber hinaus immer wieder auch der Kinderpornographie diene. Mit der 2006 beschlossenen Anti-Terror-Datei etwa schreitet für Weichert "die Vergeheimdienstlichung unseres Sicherheitsapparates weiter voran. Würde die vom Bundesinnenministerium geforderte geheime Online-Durchsuchung gesetzlich erlaubt, wäre dies ihm zufolge "bundesweit ein schwerer Schlag gegen die Informationssicherheit und das Vertrauen der Nutzer in die Integrität ihrer IT-Systeme".

"Systemsprengende Wirkung" würde dem Bericht nach die Umsetzung der EU-Pläne einer mindestens sechsmonatigen Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten aus dem Telekommunikatikonsbereich haben. "Es ist trotz Einbeziehung von Millionen von Kreditkartendaten bei aktuellen Ermittlungen und der Rasterung von sämtlichen internationalen Banktransaktionsdaten bei SWIFT für US-Geheimdienste immer noch nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, dass die elektronischen Spuren, die wir bei allen möglichen Gelegenheiten hinterlassen, zu einer beklemmenden Beschneidung unserer Grundrechte führen kann", beklagt Weichert eine fehlende Sensibilisierung der Bürger und der Politik. Nur so sei es zu erklären, "dass wir den millionenfachen Datenschutzverstoß durch SWIFT immer noch nicht beendet haben, dass das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin munter seine Idee eines riesigen Bundes-Einkommensregisters mit dem freundlichen Namen Elena verfolgt oder dass von der Bundespolitik krampfhaft die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie weiterverfolgt wird."

Die Bürger müssen sich dem ULD-Chef zufolge stärker "über die Konsequenzen ihres informationstechnischen Tuns klar werden." Dies gelte für eine "unreflektierte Selbst- und Fremdentblößung im Internet unter dem neudeutschen Stichwort Web 2.0" wie für die "bedenkenlose Inanspruchnahme immer mächtigerer Internet-Angebote von Online-Monopolisten wie zum Beispiel Google". Der präventive Datenschutz bedürfe noch der weiteren Unterstützung der Wirtschaft, der Verwaltung, der Politik und generell der Öffentlichkeit. (Stefan Krempl) / (jk)