Stellvertreterkrieg
An unzähligen Fronten bekriegen sich die Hersteller von Tintendruckern und die Anbieter alternativer Patronen. Auf dem Prüfstand vor dem Europäischen Gerichtshof stehen jedoch nicht mögliche Wettbewerbsverstöße der Druckerhersteller, sondern lediglich die Frage, ob die Kommission eine Beschwerde darüber ausreichend geprüft hat.
- Tim Gerber
Gerichtsdiener und Dolmetscher, Anwälte und Beamte der europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden bevölkern den Saal 8 des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg, als am Morgen des 17. März die Rechtssache T-296/09, EFIM versus Europäische Kommission, verhandelt wird. Die eigentlichen Auslöser des Verfahrens, die vier Druckerhersteller Canon, Epson, Hewlett-Packard und Lexmark, glänzen indessen durch Abwesenheit. Beklagte in diesem Verfahren sind sie auch nicht, das ist die Europäische Kommission. Sie hatte am 20. Mai 2009 entschieden, keine Untersuchungen von möglichen Wettbewerbsverstößen gegen die genannten Hersteller durchzuführen, und eine Beschwerde über behauptete Wettbewerbsbehinderungen zurückgewiesen. Beschwerdeführer war der nun auch klagende Verband der alternativen Tintenhersteller (European Federation of Ink and Ink Cartrigde Manufactures, EFIM) in dem sich Alternativanbieter zusammengeschlossenen haben; der größte von ihnen ist Pelikan.
EFIM-Anwalt Dietrich Ehle zählte gleich zu Beginn der Verhandlung eine Liste von allen möglichen Maßnahmen auf, mit denen die Druckerhersteller seiner Auffassung nach den Wettbewerb durch alternative Hersteller wie Pelikan behindern. Die Patronen würden stetig komplizierter, Patente und Gebrauchsmuster missbräuchlich zur Marktabschottung eingesetzt, die Patronen mit Elektronik versehen, die nur der Verschlüsselung und damit dem Ausschluss der Wettbewerber diene; ständige Firmware-Updates führten dazu, dass Alternativpatronen nicht verwendet werden könnten.
Die Entscheidung der Kommission, die der EuGH aufheben soll, habe dazu geführt, dass die Behinderungen durch die Druckerhersteller noch verschärft wurden und die Preise für Tintenpatronen deutlich gestiegen seien (siehe auch c’t 3/03, S. 78 ). Ein Wettbewerb sei kaum noch möglich, die EFIM-Unternehmen stünden aufgrund der Verdrängung durch die Druckerhersteller quasi vor dem Aus. Eine Lösung könne darin bestehen, diese Druckerhersteller kartellrechtlich zur Vergabe von Lizenzen für die Patronen zu zwingen.
EFIM-Anwalt Ehle bedauerte, dass sich die angesprochenen Druckerhersteller selbst in dem Verfahren nicht zu den Vorwürfen äußern würden, ja nicht einmal vertreten seien, obwohl Lexmark ganz offiziell in das Verfahren als sogenannter Streithelfer auf Seiten der Kommission eingetreten war. Lexmark hatte trotzdem im schriftlichen Verfahren keine Stellungnahme abgegeben. Seine Streithelferschaft stelle einen Missbrauch der Verfahrensrechte dar, um den Herstellern Zugang zu den Akten zu verschaffen, wetterte Ehle.
Auf die konkreten Vorwürfe gegen die Druckerhersteller ging auch die Europäische Kommission nicht ein. So wie das Verfahren auf Basis des europäischen Gemeinschaftsrechts angelegt ist, ist das auch folgerichtig. Denn es geht nicht um die Frage, ob die von EFIM behaupteten Verstöße gegen Wettbewerbsregeln tatsächlich vorliegen, sondern nur darum, ob die Kommission die Untersuchung dessen zu Recht abgelehnt hat. Ihre Entscheidung stützt die Kommission darauf, dass es kein Interesse der Europäischen Gemeinschaft an den Untersuchungen gäbe. Die von EFIM geforderten Nachforschungen würden unnötig erhebliche Ressourcen binden, da ein Nachweis von Wettbewerbsverstößen gegenüber den beschuldigten Unternehmen vermutlich nicht gelingen werde. Die Gegebenheiten auf den nationalen Märkten seien unterschiedlich, weshalb mögliche Missbräuche marktbeherrschender Stellungen einzelner Hersteller besser durch die nationalen Wettbewerbsbehörden untersucht werden könnten.
Vom Drucker gefangen
Von zentraler Bedeutung ist jedoch die These der Kommission, dass es keinen Nachteil für den Verbraucher gibt. Die hohen Druckkosten würden ja durch die niedrigen Preise für die Drucker zum Teil ausgeglichen. Die Druckkosten würden zudem durch den Wettbewerb bei den Druckern selbst begrenzt. Den behaupteten Lock-in-Effekt beim Verbraucher gebe es deshalb nicht, denn er könne sich vielmehr gerade aufgrund der niedrigen Gerätepreise leicht einen neuen Drucker kaufen, wenn die Patronen zu teuer würden.
Der Kommissionsvertreter Berg rechnete an einem Beispiel vor, wie schnell sich ein neuer Drucker amortisieren würde. Das Rechenbeispiel war allerdings sehr konstruiert und veranlasste das Gericht zu mehrfacher Nachfrage. Ein Drucker für 100 Euro würde sich laut Anwalt Berg bereits nach etwa anderthalb Jahren rechnen, wenn die Patronen dafür um 50 Prozent billiger wären als die des alten Druckers. Dabei legte der Kommissionsvertreter einen Verbrauch von etwa zehn Patronen im Jahr zum Preis von je 15 Euro zu Grunde. Sein Gegenüber von EFIM monierte an dieser Rechnung, dass der Verbraucher mangels Wettbewerb bei den Patronen auch bei seinem neuen Drucker vor späteren Preiserhöhungen nicht sicher sein könne und die Rechnung deshalb nicht aufgehe.
Für die Vergleichbarkeit der Druckkosten soll eigentlich die ISO-Norm 24711 sorgen. „Durch die genaue Beschreibung des Procedere schafft die Norm aller Voraussicht nach wirklich Vergleichbarkeit zwischen den Druckern verschiedener Hersteller“, zitierte Kommissionsanwalt Berg die Einschätzung der c’t zur Einführung der Norm vor vier Jahren (Ausgabe 7/07, S. 238 ).
In der späteren Praxis haben sich jedoch Zweifel an der Praxistauglichkeit der Norm ergeben, da die recht viel Tinte verbrauchenden Reinigungsvorgänge der Drucker (c’t 19/08, S. 230 ) darin nicht angemessen berücksichtigt werden. EFIM-Anwalt Ehle hatte deshalb schon zuvor auf den Rechtsstreit zwischen Kodak und HP vor dem Landgericht (LG) Köln hingewiesen, in dem es um angeblich falsche Reichweitenangaben auf HP-Tintenpatronen geht (c’t 2/11, S. 30 ). Der angegriffene Hersteller habe in der Verhandlung am 3. Februar geltend gemacht, dass die Norm nicht alle praktischen Gegebenheiten berücksichtigen könne. Dann tauge die Norm wohl nichts, haben die Kölner Richter laut Ehle angemerkt.
Die Richter in Luxemburg werden nun entscheiden müssen, ob die Argumente der EU-Kommission deren Untätigkeit rechtfertigen. Ihr Urteil wird in einigen Wochen oder auch erst Monaten zu erwarten sein. (tig)