Streisand-Effekt: Streit über Reparaturvideo von teurem Phono-Verstärker
Nachdem ein Youtuber vor laufender Kamera einen teuren Phono-Vorverstärker reparierte, lässt der Hersteller das Video sperren. Es folgt ein Shitstorm.
Wie alle Geschichten, die sich um den Streisand-Effekt drehen, beginnt auch diese zwangsläufig ganz harmlos: Mit einem Video des britischen Youtubers und hauptberuflichen Elektronikingenieurs Mark Maher alias "Mend It Mark", in dem er einen Phono-Vorverstärker "Mastergroove SR Mk III" des walisischen Herstellers Tom Evans Audio wegen eines Brummtons repariert. Beachtenswert ist zunächst lediglich, dass das rund 25.000 britische Pfund (rund 30.280 Euro) teure Gerät mit einem Transportschaden und in einem entsprechend jämmerlichen Zustand bei Maher eintraf und sich der eigentliche Hersteller zuvor geweigert hatte, es im Rahmen der Garantie zu reparieren.
Mark Maher macht sich an die Arbeit, stößt aber auf ein Problem: Es sind keine Schaltpläne verfügbar, zudem wurden die Typenbezeichnungen diverser Bauteile vom Hersteller abgeschliffen. Das ist nicht völlig unüblich, denn gerade für Kleinhersteller ist es schwierig und teuer, Schaltungen patentieren zu lassen; Nachahmer können existenzgefährdend sein. Auch in den Gerätschaften großer Anbieter findet man deshalb immer mal wieder unkenntlich gemachte Bauteile oder komplett in undurchsichtigen Kunststoff eingegossene Komponenten. Doch Maher lässt sich davon nicht entmutigen und fertigt mittels Reverse Engineering ein Dokument mit den Schaltplänen der einzelnen Baugruppen, das mehrfach kurz im Video zu sehen ist. So gelingt es ihm, den Fehler zu finden und zu beseitigen.
Angebliche Urheberrechtsverletzung
So weit, so unspektakulär – Reparaturvideos dieser Art finden sich auf Youtube zuhauf, viele finden kaum Beachtung. Zu Mahers Überraschung wird sein Video in zweieinhalb Wochen jedoch rund 250.000 Mal angeschaut – und der Hersteller des "Mastergroove SR Mk III" ist angefressen. Tom Evans meldet Mahers Film wegen angeblicher Urheberrechtsverstöße, woraufhin Youtube das Video löscht. Mahers unmittelbares Problem ist der plötzliche Verlust eines Videos auf seinem Kanal und die dadurch fehlenden Einnahmen. "Das Sinnvollste, was ich in dieser Situation machen konnte, war ein kurzes Video, in dem ich erklärte, weshalb mein letztes Video verschwunden ist", erklärt der Youtuber.
Das zweite Video veröffentlicht er am 6. Dezember 2024 – und tritt eine Lawine los. Beschwerdeführer Evans sieht sich massiver Kritik und Spott anderer Youtuber ausgesetzt, aktuell rund ein Dutzend anderer Kanäle laden Mahers ursprünglichen Beitrag hoch. Der US-Amerikaner Louis Rossmann, der seinerseits seit Jahren vor laufender Kamera repariert und dabei gegenüber Herstellern kein Blatt vor den Mund nimmt, versieht Mahers Video mit einem kleinen Vorspann, in dem er Evans den Stinkefinger zeigt: "Wie kommst du darauf, dass ich Angst habe, mich mit dir anzulegen?"
Kurz: klassischer Streisand-Effekt. Der bislang auch in Highend-Kreisen kaum bekannte Tom Evans bekommt Negativ-Publicity, Maher schildert "den Nebeneffekt, dass mein Kanal rapide wächst".
Gegensätzliche Angaben
Kritiker meinen, Tom Evans habe sich vor allem darüber geärgert, dass Mahers Video offenbarte, was sich hinter dem 25.000 Pfund teuren Phono-Vorverstärker wirklich verbirgt. Denn "Mend it Mark" beschrieb vor laufender Kamera leicht süffisant, was ihm vor den Lötkolben kam: mit Kleber gesicherte Komponenten, insgesamt 16, und durch eher zarte Kunststoff-Abstandshalter notdürftig fixierte beziehungsweise kreativ miteinander verlötete Platinen. All das erinnerte eher an einen Prototyp denn an ein kommerzielles Produkt. Auch das Gehäuse des "Mastergroove SR Mk III" wirkt eher schlicht – als Dämpfer zwischen den Ecksäulen und den Acrylplatten verwendet Tom Evans Audio offenbar Pappstreifen. In einem britischen Forum finden sich Bilder einer Acrylglas-Variante des Geräts – sie vermitteln einen Eindruck von dessen Konstruktion.
Tom Evans erklärte auf Nachfrage gegenüber heise online, Maher lasse in seiner Darstellung einen wichtigen Punkt unter den Tisch fallen. Er habe das Youtube-Video eben nicht nur blockieren lassen, weil Maher seine Schaltungen reverse-engineered hat. Maher habe auch eine Datei erstellt und diese gegen Entgelt auf seinem Internetauftritt angeboten. Dies hätten seine Anwälte auch dokumentiert, betont Evans. Dieser Darstellung widersprach Maher gegenüber heise online. Juristisch ausgestanden scheint die Sache also noch nicht zu sein.
Maher bietet auf seiner Website gegen Zahlung von derzeit knapp 250 Pfund für ein Jahr Zugang zu seiner "Community" mit Tutorials, Workshops, Schaltplänen und anderen Inhalten an. In dem umstrittenen Video sagt Maher am Schluss: "Wenn ihr euch dafür interessiert, wie ich das reverse-engineered habe, gibt es einen Workshop dazu in der 'Mend it like Mark'-Community."
Knifflige Situation
Generell sind Schaltpläne kaum urheberrechtlich zu schützen – für Kopisten würde es wohl erst juristisch eng, wenn sie in eigenen Geräten die Technik der Konkurrenz unverändert übernähmen. Auch die in Mahers Video für ein paar Augenblicke sichtbare Internetseite des Herstellers, in der dieser berichtet, pro Jahr nur zehn Exemplare dieses Phono-Vorverstärkers bauen zu können, ist wohl kaum urheberrechtlich relevant.
Youtube verteidigt sein Vorgehen bei gemeldeten Urheberrechtsverstößen und verweist auf die Rechtslage: "Youtube vermittelt nicht bei Meldungen zu Urheberrechtsverletzungen – dies ist Sache der involvierten Parteien." Tom Evans ließ die Frage unbeantwortet, ob er auch gegen die verschiedenen Uploads von Mahers Video rechtlich vorgehen will.
Wenn man den einschlägigen Magazinen trauen darf, sollen Evans’ Phono-Vorverstärker übrigens tatsächlich hervorragend klingen. In den Suchmaschinen tauchen bei der Suche nach dem Produkt nun wenig schmeichelhafte Einträge auf: "Eine 25.000-Pfund-Peinlichkeit" oder "25.000-Pfund-Vorverstärker auf Irrwegen".
(nij)