Streit über die Zukunft der Internet Engineering Task Force

Zum ersten Mal in der Geschichte der IETF soll es einen hauptamtlichen Direktor geben. Aber das neue Management-Modell hat ein paar mächtige Gegner.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Engineering Task Force (IETF), wichtigste Standardisierungsorganisation für Internet-Protokollstandards, braucht mehr Geld und eine neue Verwaltung. Bei ihrer Plenarsitzung gestern abend in Washington DC stellte der norwegische IETF-Vorsitzende Harald Alvestrand vor, wie man sich das künftige Sekretariat für die Organisation vorstellt. Zum ersten Mal in der Geschichte der IETF soll es einen hauptamtlichen Direktor geben (IETF Administrative Direktor, IAD), der als Chef der einer IETF Administrative Support Activity (IASA) die Geschäfte führt. Aber das neue Management-Modell hat ein paar mächtige Gegner. Bob Kahn, einer der Mitbegründer der IETF, sagte gegenüber heise online, die IETF-Spitze führe sich wie ein Teenager auf, der zu Hause ausziehen wolle. "Aber sie sind noch nicht erwachsen."

Der Widerstand des TCP-IP-Mitentwicklers gegen die geplanten Reformen der IETF hat nicht zuletzt einen organisatorischen Hintergrund. Bislang übernimmt die von Kahns Corporation for National Research Initiatives (CNRI) gegründete private Organisation Foretec die Organisation der dreimal jährlich stattfindenden IETF-Treffen. Das würde sich mit der Einrichtung der IASA ändern, auch wenn der neue Verwaltungschef auch weiterhin Dienstleistungen für die Konferenzorganisation einkaufen würde. Die Foretec müsste dann allerdings wohl auch mit anderen Anbietern konkurrieren. Alvestrand hält Ausschreibungen auch für sinnvoll. "Manche sagen uns, das könnt ihr doch viel billiger haben, andere sagen, ihr habt doch einen so guten Deal. Wir werden das erst wissen, wenn wir wirklich mal ausgeschrieben haben."

Immerhin muss die über die Teilnahmegebühren finanzierte Organisation haushalten, denn auch an ihr ist das Ende der dot.com-Euphorie nicht spurlos vorüber gegangen. Um den neuen Verwaltungschef zu finanzieren, will man mehr Geld von der Internet Society (ISOC), die der IETF als institutionelles Dach dient. Statt 840.000 US-Dollar möchten Alvestrand und die Chefin des Internet Architecture Board (IAB) Leslie Daigle dieses Mal 1,37 Millionen US Dollar von der ISOC. Nicht nur für den neuen Verwaltungschef braucht man Geld, sondern auch für den sogenannten RFC-Editor, der die steigende Zahl der Internet Drafts der Techies überprüfen, editieren und veröffentlichen muss. Was aus Alvestrands Sicht ein Erfolg ist, nämlich die im vergangenen Jahr von monatlich von 20 auf 28 angewachsene Zahl der Standardisierungsentwürfe, kostet auch mehr Geld.

Da die ISOC durch die Übernahme der .org-Domain von VeriSign auf zusätzliches Geld aus einem daran geknüpften Fond zurückgreifen kann, ist man bei der IETF guter Hoffnung und hat als Konsequenz der stärkeren Bindung an die ISOC auch schon mal zwei Sitze für die ISOC im neu geplanten Aufsichtsgremium IETF Administrative Oversight Committee (IAOC), das die Schnittstelle zwischen Verwaltungschef und Techies sein soll, für die ISOC reserviert.

Alvestrands Plan ist es, die Reorganisationen nach über einjähriger IETF-typischer Debatte nun so schnell wie möglich zu Ende zu führen, auf jeden Fall aber würde er gerne ein "geordnetes Haus" hinterlassen, wenn er im März als IETF-Vorsitzender abtritt. Ob er das tatsächlich schaffen wird, dabei gibt es nun ein großes Fragezeichen. "Wir sind Eigentümer des IETF-Sekretariats", sagt nun nämlich Kahn. In einem Entwurf, der die Gründung einer IETF-Stiftung und die Ernennung eines Geschäftsführenden Direktors vorsieht, betont CNRI-Juristin Patrice Lyons, dass die IETF-Gründung auf CNRI zurückgehe, CNRI lange Jahre den IETF-Vorsitzenden stellte und im übrigen auch der Vertragspartner nach außen war, nicht zuletzt für die National Science Foundation (PDF). Auch wenn weder Kahn noch Alvestrand derzeit offen darüber reden, könnte die jetzige Auseinandersetzung sich sogar zu einem Streit um Rechte am Namen IETF zuspitzen. Das ist nicht gerade das, was sich die IETF-Gemeinde wünschen kann, die nach dem Verwaltungskram im Plenum immer rasch zum "Bar Bof" -- ein Bof ist eine Auftaktveranstaltung für eine Standardisierungsgruppe -- fliehen. (Monika Ermert) / (anw)