Streit über neue Internet-Adresszonen eskaliert

Während einer Anhörung im US-amerikanischen Kongress wurden die unterschiedlichen Positionen zur Einführung neuer generischer Adresszonen deutlich. Große Unternehmen fordern, auf eine offene Ausschreibung zu verzichten.

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Von
  • Monika Ermert

Der Streit um die Einführung neuer generischer Adresszonen (gTLDs) wie .shop oder .bank durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers spitzt sich weiter zu. In einer Anhörung im US-Kongress forderten Vertreter großer US-Unternehmen, auf eine offene Ausschreibung für neue Adresszonen zu verzichten und nicht-lateinischen Adresszonen (IDN TLDs) den Vorzug zu geben. Die Coalition Against Domain Name Abuse (CADNA), in der Unternehmen wie HP und Verizon vertreten sind, forderte, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) solle künftig zusätzlich zum Handelsministerium auch vom Heimatschutzministerium kontrolliert werden.

John Conyers, Vorsitzender des Rechtsausschusses im US-Kongress, meinte in der vom Unterausschuss für Gerichte und Wettbewerb anberaumten Anhörung, es werde den Parteien noch leid tun, wenn sie bis zum Ablauf des aktuellen Vertrags zwischen US-Regierung und der ICANN kommende Woche keine Einigung im TLD-Streit erzielen. Die Anhörung wäre unnötig gewesen, wenn es innerhalb der ICANN einen Kompromiss über den Markenschutz gegeben hätte. Steve DelBianco, Vertreter der NetChoice Coalition, der unter anderem VeriSign und eBay angehören, meint, statt sich auf die dringend notwendige Erweiterung des DNS um internationalisierte Domains zu konzentrieren, die Länder wie China seit Langem forderten, habe sich die ICANN von der Diskussion um eine unbeschränkte Erweiterung "ablenken lassen".

Die Abgeordneten im Unterausschuss zeigten sich vor allem besorgt über den Schutz der Markeninhaber, deren Last und Kosten durch neue Top Level Domains (TLDs) und darin mögliches Cybersquatting zunehmen könnte. Der demokratische Vorsitzende des Unterausschusses, Hank Johnson, äußerte sein Unverständnis darüber, dass die ICANN eine unbeschränkte Erweiterung des Domain Name System (DNS) wolle. Sein republikanischer Kollege Howard Coble verwies auf Kritik des US-Handelsministeriums, das einen wissenschaftlichen Nachweis für den Bedarf neuer generischer TLDs und eine Kosten-Nutzen-Abwägung wegen möglicher Gefahren gefordert hatte. Der Republikaner Jason Chaffetz fragte, ob die 21 bestehenden TLDs denn nicht ausreichten, um die Nachfrage zu befriedigen.

ICANN-Vertreter und Paul Stahura vom US-Registrar eNOM warben dagegen für eine allgemeine Erweiterung des Namensraums. Der frisch gebackene CEO der ICANN, Rod Beckstrom, der sich bei der Anhörung vertreten ließ, hatte in einem Brief (PDF-Datei) unterstrichen, jede Verzögerung einer offenen Ausschreibung bedeute eine Behinderung des Wettbewerbs und nutze nur den wenigen bisher existierenden Konkurrenten im Registry-Markt. ICANN-COO Doug Brent verwies in der Anhörung darauf, dass seine Organisation durch seine Gründungsdokumente und Verträge mit der US-Regierung gehalten ist, die Einführung neuer TLDs vorzubereiten. Die ICANN habe sich dazu entschlossen, allen neuen Registries eine zentral geführte Whois-Datenbank und ein Schiedsverfahren für missbräuchliche Verhaltensweisen abzuverlangen. Zudem sei ein "IP Clearinghouse" im Gespräch.

Angesichts der Diskussion wackelt der Zeitplan für die Einführung neuer TLDs. TLD-Bewerber, Registries und Registrare fordern die ICANN daher in einem Brief (PDF-Datei) auf, die Ausschreibung neuer TLDs nicht weiter zu verzögern. (Monika Ermert) / (anw)