Streit um nationale oder EU-Regulierung der Telecom-Märkte

Auf der Tagesordnung des EU-Telekomrats stand die Debatte, wer Entscheidungen zur Regulierung der Telekommunikationsmärkte in Europa treffen darf.

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Von
  • Jürgen Kuri

Auf der Tagesordnung des EU-Telekomrats stand am Donnerstag auch die Debatte, wer zukünftig Entscheidungen zur Regulierung der Telekommunikationsmärkte in Europa treffen darf. Während die zuständigen Länder-Minister bislang kategorisch auf der nationalen Zuständigkeit beharren, will das mitentscheidende Europäische Parlament der EU-Kommission eine Entscheidungsbefugnis zuweisen.

Bislang sind die nationalen Regulierungsbehörden zuständig. Die Praxis in den einzelnen Staaten ist aber unterschiedlich, sodass beispielsweise in Deutschland der Markt -- zumindest theoretisch -- weit für die Konkurrenz geöffnet ist, während etwa Spanien in diesem Bereich eine Abschottungspolitik betreibt. Auf dem Tisch der Minister lag ein Vorschlag der EU-Kommission, wonach diese selbst letztlich entscheiden darf, um ein harmonisiertes Vorgehen auf europäischer Ebene sicher zu stellen. Wenn sich Parlament und Rat nicht entgegenkommen, ist die noch für dieses Jahr angepeilte Annahme eines ganzen Regelungspaketes zur weiteren Liberalisierung des europäischen Telekommarktes gefährdet.

Deutschland jedenfalls will die Regulierung der Telekommunikationsmärkte in Europa möglichst in nationaler Zuständigkeit belassen. "Wir wollen angesichts eines sich schnell verändernden Marktes vor allen Dingen eine hohe Geschwindigkeit bei den Entscheidungen", sagte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministeriums, Alfred Tacke, gegenüber dpa zur Begründung. Eine zusätzliche Entscheidungsverlagerung auf europäische Ebene bedeute weitere Verzögerungen.

Auch innerhalb des Ministerrates ist nach Agenturinformationen eine Reihe von EU-Ländern nun offenbar entgegen ihrer früheren Position für den Vorschlag der Kommission. Deutschland und weitere EU-Mitgliedstaaten aber wollen nach Angaben aus Delegationskreisen die Entscheidungen so lange den nationalen Regulierungsbehörden überlassen, bis der europäische Telekommarkt vollständig liberalisiert und damit jede Art der Regulierung überflüssig ist.

Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, der EU-Kommission ein Mitspracherecht in bestimmten grenzüberschreitenden Fällen, wo mutmaßliche Marktbarrieren bestehen, einzuräumen. In den kommenden Tagen werden nach Angaben aus informierten Kreisen nun alle beteiligten Parteien hinter verschlossenen Türen über einen Kompromiss verhandeln. "Es ist nicht sicher, dass wir eine Lösung finden, aber auch nicht ausgeschlossen", sagte der belgische Telekommunikationsminister und amtierenden Ministerratsvorsitze Rik Daems.

Der europäischen Industrieverband UNICE sprach sich für ein Vetorecht der EU-Kommission aus. Ohne eine europäische Zentralstelle zur Regulierung werde es keinen gemeinsamen Telekommarkt geben. Nach Auffassung des Deutschen Verbandes für Post und Telekommunikation (DVPT) dagegen sollte sich die EU-Kommission aus der Regulierung der Telekommunikationsmärkte heraus halten. Bis auf weiteres sollten dafür allein nationale Behörden zuständig sein, sagte DVPT-Vorsitzender Manfred Herresthal. Wenn die EU-Kommission diese Aufgabe übernehme, seien Verzögerungen zu befürchten: "Dann wird nach dem Langsamsten dereguliert." Erst wenn auf dem Telekommunikationssektor in allen EU-Ländern gleiche Verhältnisse herrschten, könnte nach Auffassung Herresthals neu nachgedacht werden. Wichtig sei auf jeden Fall die Zulassung von Wettbewerb.

Nach Angaben der CSU-Europaabgeordneten und Telekomexpertin Angelika Niebler erreichte der Gesamtumsatz der Telekommunikationsmärkte in der EU im Jahr 2000 etwa 218 Milliarden Euro. Dies entspreche einer Zuwachsrate von 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Betreiber von Auslands- und Ferngesprächen bezifferte sie auf gut 460. Das schnellste Wachstum gebe es im Bereich der Mobilfunkdienste. (jk)