Streit um offenes Office: Ende offen

Das Dokumentenformat hinter dem von Sun offengelegten OpenOffice gerät ins Kreuzfeuer der Industrieinteressen.

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Von
  • Hans-Peter Schüler

Das Dokumentenformat hinter dem von Sun offengelegten OpenOffice gerät ins Kreuzfeuer der Industrieinteressen.

Am gestrigen Donnerstag formierte sich in der hauptsächlich Industrie-getragenen, nicht-kommerziellen Organisation for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS) ein Arbeitskreis, der ein offenes, XML-basierendes Dateiformat für Office-Anwendungsprogramme hervorbringen will. Den Kern des neuen Standards wird aller Wahrscheinlichkeit nach das von Sun beigesteuerte OpenOffice-Format bilden; nicht umsonst stellt dieses Unternehmen mit Michael Brauer den Vorsitzenden des Komitees, welches sich von Anfang an darauf festgelegt hat, ausschließlich lizenzfreie Inhalte zu berücksichtigen. Im Unterschied übrigens zur grundsätzlichen OASIS-Position, die auch so genannte RAND-Praktiken zulässt (reasonable and non-discriminatory -- auf Deutsch etwa: vernünftig und unterscheidungslos gegenüber Lizenznehmern).

Ob aus diesem oder anderen Gründen -- der Office-Platzhirsch Microsoft wartet erst einmal ab, ob sich daraus etwas entwickelt, das "nach unserem Gefühl für Kunden notwendig ist", wie Simon Marks, der Produktmanager für MS-Office, erklärte. Kein Wunder, gereicht doch dem Redmonder Riesen schon das intransparente .DOC-Format seiner Textverarbeitung zu dauerhaftem Markterfolg. OpenOffice und das Schwesterstück StarOffice setzen dagegen auf gezippte XML-Dateien für Office-Dokumente, die sich dadurch mit jedem Browser analysieren lassen, auch auf die Abwesenheit unerwünschter Redigierleichen, die bei DOC-Dateien mitunter im Verborgenen überleben. Freilich ist damit erst der halbe Weg zum plattform-unabhängigen Office-Dokument gegangen. Was hilft es schließlich, wenn man nach offenen XML-Regeln beliebige Feldbezeichnungen deklarieren darf, mit denen eine selbstgeschriebene Textverarbeitung dann die schönsten Formatierungen zustande bringt, während die liebe Konkurrenz dauerhaft im Dunkeln tappt, welche Programm-Reaktion auf die zahlreichen, von Version zu Version neu deklarierten Datenfelder geplant ist.

So sieht das wohl nicht nur das OASIS-Komitee, sondern auch Microsoft, obwohl sich der Konzern bislang nicht gerade als leuchtendes Vorbild präsentiert hat, was den Transparenzgewinn durch Word-generierte XML-Dateien angeht. In Redmond versteift man sich ganz und gar auf den XML-Ansatz XSD (XML Schema Definition Language), hat sogar schon ein XSD Inference Tool herausgebracht, um an Hand eines wohlgeformten XML-Dokuments ein XML-Schema zu definieren, das die spätere Validierung ähnlicher XML-Dokumente ermöglicht, selbst wenn die Absichten des ursprünglichen XML-Autors daraus nicht abzulesen sind. Das verträgt sich gut mit den Worten Marks' "Wir haben uns nicht für XSD entschieden, um Interoperabilität mit anderer Leute Software zu erreichen. [...] Es geht um den Austausch von Information, nicht von Dokumenten".

Lange vor der OASIS hat sich übrigens in Deutschland die Initiative 1dok der Erarbeitung eines offenen Dokumentenformats mit öffentlicher Beteiligung verschrieben. Dort ist man inhaltlich schon einen Schritt weiter und umreißt konkrete Szenarien, wie sich passend strukturierte Dateien nahtlos in einen Workflow eingliedern und in zahlreichen Alltagssituationen vom Internet-Handel bis zum E-Government nützlich machen könnten. (hps)