Studie: Bei Rechenzentren droht 57 Prozent mehr Stromverbrauch bis 2030

Hiesige Serverfarmen könnten laut einer Studie 2030 bis zu 35 Milliarden kWh Strom konsumieren. Die Treibhausgas-Emissionen gehen aber seit 2018 zurück.

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Server, Rechenzentrum, Vorratsdatenspeicherung
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In Deutschland gab es 2020 rund 3000 Rechenzentren mit einer elektrischen Leistung von jeweils mehr als 40 Kilowatt. Dazu kamen rund 47.000 kleinere IT-Installationen. Die Gesamtleistung lag bei mehr als 2088 Megawatt (MW), ein Plus von 84 Prozent gegenüber 2010. Bis 2025 dürften noch einmal 30 Prozent IT-Leistung dazukommen. Dies geht aus einer Studie des Borderstep-Instituts im Auftrag des Digitalverbands Bitkom hervor, für die die Forscher rund 500 Unternehmen und 100 Experten befragt haben.

Zugleich hat sich demnach die elektrische Leistungsaufnahme deutscher Serverfarmen und kleinerer IT-Installationen von 2010 bis 2020 von 10,5 auf 16 Milliarden kWh pro Jahr gesteigert. Das entspricht einem Anteil von 0,6 Prozent am Gesamtenergiebedarf in Deutschland im selben Jahr. Daneben stieg aber auch die Effizienz der Anlagen: Die installierte Rechenkapazität hat sich pro aufgenommener kWh Strom seit 2010 laut der am Dienstag veröffentlichten Analyse fast verfünffacht. Das liegt an den immer schneller werdenden Prozessoren und Beschleunigerkarten, sowie besseren Kühl- und Aufbereitungssystemen.

Aktuell schätzen die Forscher die Leistungsaufnahme der hiesigen Rechenzentren auf etwa 18 Terawattstunden (tWh) pro anno. Bis 2030 könnte er ihnen zufolge gegenüber 2022 im "Boom-Szenario" um circa 57 Prozent auf 35 tWh steigen. Bei einem beschleunigten Einsatz energieeffizienter Infrastruktur sowie Hard- und Software gehen sie von einem Bedarf von etwa 23 tWh aus. Bei einer linearen Fortschreibung der Entwicklung zwischen 2015 und 2020 seien 28 tWh realistisch.

Die größten Stromschlucker in Rechenzentren sind Prozessoren und Beschleunigerkarten, sowie die Kühlung und der Betrieb von Datenträgern. Trotz der stark gewachsenen IT-Leistung und des erhöhten Energiebedarfs sind die verursachten Treibhausgas-Emissionen aber zumindest seit 2018 rückläufig. Mit 6,1 Millionen Tonnen CO₂ lagen sie 2020 wieder auf dem gleichen Niveau wie 2011. Die nationalen Rechenzentren sind so für rund 0,8 Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland verantwortlich.

Große Potenziale zur CO₂-Reduktion liegen laut Studie insbesondere in einer energieeffizienten Klimatisierung, in stromsparenden Servern und anderen Geräten sowie in der Nutzung der Abwärme. Auf deren Potenzial hatte bereits 2019 die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland des eco-Verbands der Internetwirtschaft verwiesen. Befeuert werden könnte ihr zufolge so etwa eine urbane Landwirtschaft mit "Vertical Farming".

Bei einer Umfrage unter etwa 70 Rechenzentrenbetreibern im Rahmen der Untersuchung gaben 40 Prozent an, ihre Abwärme zumindest in kleinen Mengen weiterzuverwerten – nur fünf Prozent nutzen mehr als die Hälfte der Abwärme weiter. Weitere 43 Prozent haben dies nach dem nächsten großen Modernisierungsprojekt vor. Bisher scheitert die Abwärmenutzung von Rechenzentren den Antworten zufolge oft an fehlenden Abnehmern für die erhitzte Luft beziehungsweise das erwärmte Wasser in Form von Fernwärme (56 Prozent) und an der Wirtschaftlichkeit (52 Prozent).

Bei 28 Prozent ist das Temperaturniveau zu niedrig, 20 Prozent befürchten einen zu hohen Investitionsbedarf. Der Bitkom fordert daher, Fernwärmenetze vor Ort aus- und umzubauen und Erzeuger sowie Nutzer auch mithilfe der Politik zusammenzubringen. Die energetische Infrastruktur rund um Serverfarmen sollte von Anfang an mitgeplant werden.

Die Rechenzentrumsbetreiber unterstützten das Ziel der Ampel-Koalition, wonach alle neuen einschlägigen Einrichtungen hierzulande von 2027 an klimaneutral sein sollen, betonte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder bei der Studienpräsentation. "Das kann allerdings nur gelingen, wenn ausreichend Strom aus regenerativen Quellen verfügbar ist." Er hob zugleich hervor, dass leistungsfähige Rechenzentren "einen massiven digitalen Effizienzschub auslösen" könnten, "der den CO₂-Ausstoß etwa bei industrieller Fertigung, Mobilität, Gebäuden oder in der Arbeitswelt deutlich reduziert".

Das Wachstum der Kapazitäten führen die Forscher hauptsächlich auf den zunehmenden Ausbau von Cloud Computing zurück – zuletzt stark getrieben durch die Nachfrage nach Online-Lösungen während der Coronapandemie und die allgemeine Digitalisierung von Verwaltung sowie Unternehmen.

Kapazitäten verschiedener Rechenzentren in den Jahren 2010 bis 2025 zeigt

(Bild: Bitkom)

Zwischen 2016 und 2021 habe sich das Wachstum in Serverfarmen für Cloud Computing um 150 Prozent erhöht, während die traditionellen Rechenzentren nahezu stagnieren. Stärker gefragt sind auch Edge-Rechenzentren, die Rechenleistung nahe zu Endkunden etwa in der industriellen Fertigung bringen und Reaktionszeiten verringern.

Viele der bisher wichtigen Standorte werden der Studie zufolge weiter an Bedeutung gewinnen, wobei das Bundesland Hessen mit der Region rund um Frankfurt am Main die höchste Rechenzentrumsdichte in Deutschland aufweist.

Entwicklung von Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2022

(Bild: Bitkom)

Außerdem gaben 60 Prozent der befragten Betreiber an, in den nächsten zwei Jahren Investitionen tätigen und ihre Standorte erweitern zu wollen. 62 Prozent nannten als Bremse aber einen deutlichen Mangel an Fachkräften. Als weitere Nachteile gegenüber ausländischen Wettbewerbern machten sie hohe Strompreise, eine weitgehend fossile Energieversorgung sowie langsame Genehmigungsprozesse aus.

(mack)