Studie: Illegale IPTV-Streamingdienste nehmen jährlich fast 1 Milliarde Euro ein

Der Online-Zugriff auf illegal kopierte Werke ist in der EU laut einer Analyse binnen 21 Monaten um 15 Prozent zurückgegangen, doch bei IPTV gibt es Probleme.

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EU-Studie: Illegale IPTV-Streaminganbieter nehmen pro Jahr knapp 1 Milliarde Euro ein
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Die Inanspruchnahme illegal kopierter Film-, Fernseh- und Musikinhalte im Internet ist in der EU zwischen Januar 2017 und September 2018 um 15 Prozent gesunken. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vorige Woche veröffentlicht hat. Der rasanteste Rückgang beobachteten die Forscher demnach beim rechtswidrigen Zugriff auf Musik, der sich um durchschnittlich 32 Prozent verringerte. Das Minus bei Filmen liegt bei etwas über 19 Prozent, bei Fernsehinhalten bei knapp acht Prozent.

Allerdings griff der durchschnittliche Internetnutzer in den 28 Mitgliedstaaten in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 pro Monat trotz der fallenden Tendenz immer noch von Desktop-Geräten und Smartphones oder anderen mobilen Geräten aus 9,7 Mal auf raubkopierte Inhalte im Internet zu. Für Deutschland fallen die Zahlen aus Sicht der Rechteinhaber noch besser aus: Hiesige Nutzer "konsumierten" insgesamt in den 21 Monaten 25,7 Prozent weniger "Raubkopien", heißt es in dem Bericht.

Bei Musiktiteln sank die Quote hierzulande sogar um über 46 Prozent, auch bei den anderen Gattungen fiel das Minus höher als im EU-Mittel. Zwischen Januar und September 2018 griffen Nutzer aus Deutschland auch pro Monat "nur" 6,8 Mal rechtswidrig auf Kopiervorlagen zurück.

Laut einer zweiten, vom EUIPO parallel publizierten Studie (PDF-Datei) streamen aber bis zu 13,7 Millionen EU-Bürger illegales Internetfernsehen via IPTV. Dadurch sollen die rechtswidrig agierenden Anbieter bis zu 941,7 Millionen Euro pro Jahr einnehmen können, rechnen die Experten vor. Sie berücksichtigen dabei mögliche einmalige Zahlungen, den Erwerb illegaler Set-Top-Boxen oder langfristige Abonnements, die von nicht autorisierten Einzelhändlern feilgeboten werden. Im Durchschnitt gebe der einschlägige Einzelnutzer in der EU 5,74 Euro pro Monat für illegales IPTV aus.

Stationäre Rechner werden den Analyse zufolge für den Zugriff auf Fernsehinhalte und Filme stärker verwendet als mobile Geräte, während diese für Musikinhalte das Werkzeug der Wahl sind. Streaming war bei weitem die häufigste Zugangsmethode. Darauf entfielen 75 Prozent aller illegalen Zugriffe, gefolgt von Torrents, Downloads und dem Rippen von Streams.

Die Basisdaten für die erste Studie stammen aus dem Tracking des Datenverkehrs zu Webseiten mit illegal kopierten Werken, die der britische Anbieter Muso dem EUIPO zugeliefert hat. Außen vor blieben rechtswidrige Nutzungen, die etwa über mobile Apps erfolgten.

Die in Alicante sitzende Behörde hat die Informationen nach eigenem Bekunden angereichert mit Statistiken von Eurostat und der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle über die Zahl der Internetnutzer in jedem EU-Land, ökonomische Variablen wie das Pro-Kopf-Einkommen und die Verfügbarkeit legaler digitale Angebote inklusive Rundfunkplattformen. Einbezogen hat sie ferner selbst erhobene Angaben zur Wahrnehmung, zum Bewusstsein und zum Verhalten von Nutzern rund um "digitale Produktpiraterie" sowie die Kosten für den Zugang zum Internet.

Die Zahlen zeichnen ein komplexes Bild. Am weitesten verbreitet ist der Zugriff auf rechtswidrige Kopien laut dem Bericht in Lettland, dicht gefolgt von Litauen. Das durchschnittliche "Piraterievolumen" ist dort mehr als sechsmal höher als im räumlich nicht weit entfernten Finnland. Illegales IPTV-Streaming bleibt in Lettland dagegen unter dem Durchschnitt. In Spanien sieht es genau andersherum aus.

Generell fällt der "Konsum" illegal kopierter Werke in Ländern niedriger aus, in denen das Durchschnittseinkommen vergleichsweise hoch ist und die Unterschiede zwischen reichen sowie armen Bevölkerungsgruppen gemäßigt ausfallen. EUIPO-Direktor Christian Archambeau betonte, dass trotz erfreulicher Signale "immer noch viel zu tun" sei, um das Problem von Urheberrechtsverletzungen im Internet zu bewältigen. Der EU-Gesetzgeber hatte zuletzt mit der heftig umkämpften Urheberrechtsreform die Haftung von Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten verschärft, was praktisch auf Upload-Filter hinauslaufen dürfte. (tiw)