Studie: Noch viele Fragen offen beim geplanten deutschen Weltraumbahnhof

Ein eigener Startplatz für Trägerraketen gilt als entscheidend für einen unabhängigen Weltraumzugang. Experten wägen das Für und Wider des hiesigen Projekts ab.

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Schwimmende Raketenplattform

Die schwimmende Startplattform für Raketen, hier als Rendering, soll ein Weltraumbahnhof sein.

(Bild: GOSA)

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In diesen Tagen sollte es nach mehrfachen Verschiebungen endlich losgehen: Ein Firmenverbund um den Bremer Raumfahrtkonzern OHB wollte im Juli erste kleine Raketen testweise von einer schwimmenden Plattform in der Nordsee abschießen. Doch auch aus diesem Termin ist nichts geworden: Die nötigen Genehmigungen seien immer noch nicht alle erteilt worden, bedauert die German Offshore Spaceport Alliance (GOSA), die den schwimmenden Weltraumbahnhof betreiben will, die erneute Absage. Passend dazu hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) in einer aktuellen Kurzstudie "Potenziale und Risiken" eines deutschen Weltraumbahnhofs ausgelotet. Eine solcher Start- und Landeplatz für Satellitenträgerraketen ermöglicht es demnach einer Nation, "auch ohne Rückgriff auf fremde Raumfahrtinfrastruktur Experimente und Missionen im All durchzuführen".

Das sei etwa in den Bereichen der Kommunikations- und Geolokalisierungstechnologien, Internetversorgung, für Big-Data-Analysen sowie die Erdbeobachtung wichtig, erläutern Tobias Hungerland und Marlène de Saussure in dem Papier. Eine solche Infrastruktur sei verhältnismäßig rar: Insgesamt gebe es global nur 35 Weltraumbahnhöfe. Zwei davon befänden sich auf dem Boden von EU-Staaten, nämlich in Schweden und Französisch-Guayana. Deutschland würde das GOSA-Projekt so "ausgeprägte technologische Souveränität, Wettbewerbsfähigkeit und geopolitische Unabhängigkeit gewähren".

Die Entstehung eines mobilen Startplatzes auf deutschem Territorium birgt laut TAB auch "sozioökonomische Potenziale im Sinne von Arbeitsmarktentwicklung sowie Fachkräftesicherung und -qualifizierung". Ferner könnten vielversprechende Möglichkeiten für Forschung und Exploration, technologische Entwicklung, geopolitische Strategie sowie internationale Zusammenarbeit damit einhergehen. Mit einem Haushaltsbeschluss und einem Volumen von 2 Millionen Euro bis 2025 unterstützten die Bundesregierung und der Bundestag das Vorhaben zunächst, für das der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) 2019 in der Berliner Weltraumerklärung die gedankliche Initialzündung gab.

Zugleich müssten aber Umweltauswirkungen von Bau und Betrieb der Startrampe sowie entsprechende Maßnahmen wie Naturschutz und Emissionskontrolle berücksichtigt werden, geben die Forscher zu bedenken. "Zu berücksichtigen sind etwa potenzielle Schäden an Ökosystemen, Luft- und Wasserverschmutzung sowie der Energieverbrauch während des Betriebs der Plattform", heißt es in der Analyse. Maßnahmen zur Minimierung und Kompensation möglicher negativer Auswirkungen könnten helfen, einen nachhaltigen Betrieb zu ermöglichen.

Dazu kommt der Untersuchung zufolge "eine derzeit noch ungeklärte rechtliche Lage aufgrund eines fehlenden eigenen Weltraumgesetzes". Dies stelle eine Barriere für die Wirtschaft dar, Startdienstleistungen in Deutschland anzubieten oder nachzufragen. Ein solches Gesetz sei bereits im Koalitionsvertrag der vorherigen schwarz-roten Regierung vereinbart gewesen, aber nicht umgesetzt worden. So müssten Haftungsfragen geklärt und Rechtssicherheit geschaffen werden, inwieweit Unternehmen Risiken tragen und wo der Staat einspringt.

Die Ampel-Koalition zeigte sich skeptisch. Inzwischen hat die EU-Kommission ein europäisches Weltraumgesetz für diesen Sommer angekündigt, das einen Schwerpunkt auf Cybersicherheit legen dürfte. Im Hinterkopf zu behalten sei auch, dass sich die hiesige Initiative als Nischenangebot erweisen könnte, schreiben die Wissenschaftler. Ein solches wäre international nur begrenzt konkurrenzfähig und müsste wohl subventioniert werden.

(olb)