Studie: Potenzial von Rechenzentren für die Energiewende liegt noch brach

Rechenzentren in fünf europäischen Staaten dürften ihren Strombedarf bis 2030 auf rund 5,4 GW nahezu verdoppeln. Ihr Flexibilitätsreservoir wird kaum gehoben.

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(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

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Rechenzentren in Deutschland, Großbritannien, Irland, Norwegen und den Niederlanden werden 2030 voraussichtlich 5,4 GW (Gigawatt) Strom benötigen. Das sind etwa 80 Prozent mehr als Ende 2021, wo der Wert bei 3 GW liegen soll. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor, die das Forschungsunternehmen BloombergNEF in Kooperation mit Eaton, einem irischen Anbieter von Energiemanagement-Lösungen, und dem norwegischen Versorger Statkraft durchgeführt hat.

Laut der veröffentlichten Analyse werden Wind- und Solarenergie in ganz Europa bis 2030 voraussichtlich 60 Prozent der gesamten Stromerzeugung ausmachen. Mit dieser deutlich zunehmenden Marktdurchdringung wird angesichts der Volatilität solcher grüner Energiequellen auch ein größerer Bedarf an Reaktionsvermögen im Netz entstehen, wenn der Wind in bestimmten Regionen etwa kräftig bläst oder die Sonne mehr oder weniger scheint.

Rechenzentren könnten in den fünf untersuchten Märkten dem Netz insgesamt eine Flexibilitätsreserve von 16,9 GW durch ihre unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) mit Notstromgeneratoren, Backup-Erzeugung und Lastverschiebung zur Verfügung stellen, arbeiten die Experten heraus. Dies ist mehr als die aus diesem Sektor selbst erwartete Stromnachfrage. Die Autoren erklären dies damit, dass Datacenter entweder den Verbrauch reduzieren oder Strom ins Netz zurückspeisen könnten.

Von den begutachteten Ressourcen bieten USV-Anlagen laut der Untersuchung ein besonders hohes Potenzial für Flexibilität. Sie gehören in Rechenzentren zur Standardausstattung, basieren auf aufladbaren Batterien und eignen sich daher besonders gut für die kurzfristige Frequenzregelung (Fast Frequency Response).

Die Studie zeigt aber auch, dass die Betreiber von Rechenzentren noch zögern, die erwähnten Reserven zur Unterstützung des Stromnetzes bereitzustellen. Als Gründe werden Qualitätsvereinbarungen mit Kunden sowie fehlendes Know-how genannt. Teils hätten die Hoster die Vorteile von Flexibilitätsleistungen auch noch nicht erkannt.

Die Verfasser schätzen daher, dass bis 2030 in den untersuchten Märkten nur 3,8 GW entsprechende Reserven in Rechenzentren zur Verfügung stehen dürften, also ein Viertel der potenziellen Kapazität. Dies entspreche 1,7 Prozent der 2030 erwarteten Spitzenlast in den fünf Märkten. Die Macher der Studie rufen Versorger, Regulierungsbehörden und Betreiber von Rechenzentren daher zur Zusammenarbeit auf, um die ausgemachten Flexibilitätsressourcen besser auszuschöpfen.

Laut der neuen Ampel-Koalition müssen neue Rechenzentren von 2027 an klimaneutral betrieben werden. Das Bündnis will die Anlagen – etwa durch die Nutzung von Abwärme – "auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten", heißt es im rot-grün-gelben Koalitionsvertrag. In Frankfurt am Main, wo ein großes Datacenter nach dem nächsten gebaut wird, droht die Stadt aufgrund des damit verknüpften Abwärmeproblems ihre Klimaziele zu verfehlen.

(olb)