Tanzendes Baby beschäftigt weiter die US-Justiz

Im Rechtsstreit um ein YouTube-Video, in dem ein Baby zu einem Prince-Song tanzt, muss ein US-Richter erneut über die Annahme einer Klage der betroffenen Mutter entscheiden, die dem Musikkonzern Universal Rechtsmissbrauch vorwirft.

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Mit gerade einem Jahr wurde Holden schon weltberühmt. Der kleine Junge im roten Strampler ist der Star eines verwackelten Heimvideos und Mittelpunkt eines Zivilstreits zwischen seiner Mutter und dem Musik-Multi Universal. In einem im Februar 2007 auf YouTube veröffentlichten 30-Sekünder wackelt der damals dreizehn Monate alte Holden ein bisschen mit der Windel, während im Hintergrund eine kaum erkennbare Version von "Let's Go Crazy" aus dem Fernseher dröhnt. Der Song ist von Prince – der Superstar ist in solchen Fällen wenig zimperlich – und die Rechte liegen bei Universal. Der Major ließ das Video wegen Urheberrechtsverstoßes von YouTube löschen, hatte dabei aber die Rechnung ohne Holdens Mami gemacht.

Stephanie Lenz wollte nicht einsehen, dass ein primär für die Familie gedachtes Video wegen ein paar Fetzen Hintergrundmusik gelöscht werden sollte und widersprach. Das Video ging sechs Wochen später wieder online, die Geschichte war für Universal damit allerdings noch nicht ausgestanden. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) verklagte den Major wegen Missbrauchs des US-Copyrights und fordert Schadensersatz für Lenz. Der Digital Millenium Copyright Act (DMCA) sieht diese Möglichkeit vor, um möglichem Missbrauch vorzubeugen – zum Beispiel die Löschung eines Videos zu verlangen, ohne tatsächlich die Rechte zu besitzen.

Lenz und die EFF sehen die Musik in dem Video durch die Doktrin der "fairen Nutzung" (Fair Use) gedeckt. Dem widerspricht auch Universal nicht mehr. Jetzt geht es um die Klärung der Frage, ob die Aufforderung an YouTube, das Video wegen Verstoßes gegen den DMCA zu löschen, ein Missbrauch des Gesetzes und damit schadenersatzpflichtig ist. Die EFF will damit erreichen, dass die Musikindustrie nicht mehr auf breiter Front gegen mögliche Rechtsverletzungen vorgeht, sondern bei den sogenannten "DMCA Takedown Notices" sorgfältiger prüft.

Zwar hatte der zuständige Richter die Klage im April 2008 zunächst verworfen, der EFF aber die Tür für ein neues Verfahren offen gelassen. In einer neuen Klageschrift legte die EFF genauer dar, warum das Vorgehen von Universal unrechtmäßig sein soll. Der Musikkonzern dagegen beantragt, auch die zweite Klage abzuweisen. In der Argumentation der beiden Kontrahenten geht es auch um die Frage, ob die Doktrin des "Fair Use" eine Urheberrechtsverletzung voraussetzt oder nicht.

In einer mündlichen Anhörung am vergangenen Freitag vor dem Bundesgericht in San Jose (US-Bundesstaat Kalifornien) argumentierte Universal, die Fair-Use-Doktrin sei eine prozessuale Auffangregelung für kleinere Urheberrechtsverletzungen, die vorher nicht zu berücksichtigen sei. Daher sei die DMCA-Anordnung an YouTube in diesem Fall gerechtfertigt, auch wenn sich hinterher herausgestellt habe, dass die Verwendung nach der Doktrin geschützt sei. Dem widerspricht die EFF unter Verweis auf den Gesetzestext, demzufolge "Fair Use" keine Urheberrechtsverletzung darstelle und deshalb auch keine Grundlage für eine DMCA Takedown Notice biete.

Richter Jeremy Fogel muss nun entscheiden, ob er die neue Klage zulässt oder nicht. Einen Zeitrahmen gibt es nicht, doch wird sich Fogel seine Entscheidung gut überlegen. Denn hier geht es nicht nur um das beliebte YouTube-Genre "Mein Baby tanzt" – tausende Familienvideos, die Kleinkinder bei ihren ersten Schritten zu Musik zeigen, verstoßen nach Ansicht der Universal-Anwälte gegen das Urheberrecht, auch wenn dieser Verstoß letztlich von der "Fair Use"-Doktrin gedeckt sein sollte. In dem Verfahren um Holdens Tanzeinlage geht es vor allem um die Auslegung des DMCA. (vbr)