Technikverband: Photonik soll Energiehunger von KI und Rechenzentren stillen
Mit photonischen Ansätzen lässt sich die wachsende Nachfrage nach Rechenkraft energieeffizienter bewältigen, meint der VDE mit Blick auf die Rechenzentren.
"Explodierende Datenmengen in allen Lebensbereichen steigern den Energiebedarf von Rechenzentren stetig und stellen eine erhebliche ökologische und ökonomische Belastung dar", warnt die Informationstechnische Gesellschaft (ITG) im Elektrotechnik- und IT-Verband VDE in einem jetzt veröffentlichten Impulspapier. Insbesondere die aktuell angesagte generative Künstliche Intelligenz (KI) benötige "enorme Rechenleistung". Die ITG empfiehlt zur Lösung des Problems, auf optische und photonische Technologien zu setzen. Diese könnten "eine Schlüsselrolle dabei spielen, den Energiebedarf von Rechenzentren zu senken" und zugleich die wachsenden Anforderungen an Geschwindigkeit und Rechenpower zu erfüllen.
"Herkömmliche Rechenzentren sind bei der Datenübertragung in hohem Maße noch auf Kupferkabel angewiesen", schreiben die Autoren eines Informationsbriefes des VDE. "Die Übertragung großer Datenmengen ist auf diese Weise nur eingeschränkt effizient und damit energieintensiv." Kupferkabel wiesen eine Signaldämpfung auf langen Strecken auf. Daher seien Verstärker erforderlich, um das Signal zu übertragen und die Datenintegrität zu gewährleisten. Diese Hilfsmittel benötigen elektrische Energiezufuhr und trügen so zum Gesamtenergieverbrauch von Rechenzentren bei. Das Potenzial alternativer optischer Fasertechniken sei zudem noch nicht hinreichend erschlossen.
Datenkanäle für bis zu 400 GBit/s aufrüsten
Erforderlich sind der ITG zufolge künftig Datenkanäle, die Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 400 GBit/s über eine einzige Laserwellenlänge in einem Glasfaserkabel unterstützen. Um diese Bandbreiten energieeffizienter zu verarbeiten, müssten Alternativen für konventionelle integrierte Digitalschaltungen etwa durch integrierte Silizium-Photonik-Elektronik-Schaltungen, angegangen werden.
Solche Photonic Integrated Circuits (PICs) haben laut dem Papier viele Vorteile: Durch den Einsatz integrierter Photonik könnte in Rechenzentren etwa die Energieaufnahme verringert werden: "Lichtmodulation kann mit geringerem Energieaufwand zur Kommunikationstechnik verwendet werden." Zudem ließen sich Daten in dem hochfrequenten Spektrum des Lichts in höheren Bandbreiten übertragen. Die Konversion von elektrischen in optische Signale biete hier eine Vielzahl von Vorteilen bei gleichzeitiger Energieeffizienzsteigerung, erklärt die ITG. Ferner seien Verluste durch Wärmeableitung in photonischen Schaltungen geringer, was ebenfalls zu einer höheren Energieeffizienz führe. So lasse sich das Kühlsystem deutlich optimieren, was wiederum die damit verbundenen Verluste reduziere.
Suche mit KI-Systemen würde Stromverbrauch massiv erhöhen
"Integrierte Photonik hat bereits in Rechenzentren Einzug gehalten, insbesondere in Umgebungen für Hochleistungscomputer (HPC)", ist der Info zu entnehmen. "PICs werden eingesetzt, um Server, Speichergeräte und Netzwerkausrüstung miteinander zu verbinden. Es ist daher zu erwarten, dass photonische Verbindungen für Rechenzentren in naher Zukunft zum Industriestandard werden."
Der derzeitige Ansatz lasse sich nicht mehr weiterführen, erläutert Damian Dudek, Geschäftsführer der ITG. Sowohl das Training von KI-Systemen als auch der Betrieb erforderten hohe Mengen an Energie. Stelle ein Nutzer eine Anfrage an ChatGPT, verbrauche er schätzungsweise drei bis neun Wattstunden. Würden alle der neun Milliarden täglichen Suchanfragen von KI beantwortet, sei mit einem erhöhten Stromverbrauch um den Faktor 30 zu rechnen.
Atomkraft für KI muss nicht sein
Mit dem Fokus auf die Photonik will der VDE auch dem Bestreben von großen Cloud-Dienstleistern wie Amazon, Google und Microsoft etwas entgegensetzen, die verstärkt ihren KI-getriebenen Energiehunger mit Atomkraft stillen wollen. Allein der Hyperscaler Google wolle ab 2030 Energie aus Small Modular Nuclear Reactors (SMRs) des Entwicklers Kairos Energie einkaufen, konstatieren die Verfasser. Bis 2035 solle die jährliche Leistung 500 Megawatt erreichen. Es sei noch offen, ob Strom aus den Reaktoren ins Netz gehe oder ob diese direkt mit den Rechenzentren verbunden würden.
Perspektivisch erwartet die ITG, dass auch Innovationen im Bereich der Rechner-Hardware zu einem geringeren Energiebedarf bei gleichzeitig höherer Rechenleistung beitragen. So werde etwa versucht, mit Ansätzen wie dem Neuromorphic Computing die bislang verwendete konventionelle "Von-Neumann Rechnerarchitektur" zu ersetzen. Allerdings dürften diese Anstrengungen allein nicht ausreichen, um mit dem Strombedarf von KI-Anwendungen in Datacentern Schritt zu halten. Optische und photonische Ansätze für die Informations- und Kommunikationstechnik sollten daher "einen signifikanten Beitrag leisten". Die ITG bezieht sich in ihrem Papier unter anderem auf Überlegungen des Ingenieurs Thomas Ako in seinem Blog Photonics Report aus dem Januar.
(usz)