Roboterhaut erkennt Materialien und Objekte aus der Ferne
Eine künstliche Haut für Roboter soll ohne visuelle Technik Objekte und Materialien identifizieren können. Die Erkennungsleistung ist hoch.

(Bild: carlos castilla/Shutterstock.com)
Ein Forschungsteam des Beijing Institute of Nanoenergy and Nanosystems und der Tsinguha University hat eine kĂĽnstliche Haut entwickelt, die Materialien auf eine Entfernung von bis zu 150 mm erkennen kann. Die Multirezeptor-Haut reagiert auf Druck und nutzt elektrostatische Induktion zur Tele-Wahrnehmung, der Aufnahme sensorischer Informationen aus der Ferne.
Auf die Idee zu einer kĂĽnstlichen Haut zur Tele-Wahrnehmung kam Di Wei, Professor und Leiter des Iontronics Laboratory am Beijing Institute of Nanoenergy and Nanosystems, durch seine Tochter. Die hatte eine Dokumentation ĂĽber eierlegende Schnabeltiere gesehen und ihren Vater darauf aufmerksam gemacht, dass die Tiere in der Lage sind, im Wasser zu jagen, ohne dass sie sich dabei auf ihre Augen verlassen mĂĽssen. Dies weckte die Neugier von Wei, der begann, das dahinterliegende sensorische System genauer zu untersuchen.
Dabei kam heraus, dass Schnabeltiere über ein duales sensorisches System verfügen, mit dem sie mechanische Reize und elektrische Veränderungen in ihrer Umgebung aufnehmen können. Im Gegensatz zu anderen eierlegenden Wassertieren kann das Schnabeltier etwa Beute oder mögliche Bedrohungen ohne visuellen Kontakt erkennen.
"Wir wollten die Fähigkeiten des Schnabeltiers in einer künstlichen Haut nachbilden, die sowohl taktile als auch Tele-Wahrnehmungsfunktionen vereint", so Wei. "Unser primäres Ziel war es, den Wahrnehmungsbereich künstlicher Systeme zu erweitern, sodass Roboter ihre Umgebung erkennen und mit ihr interagieren können, ohne sich ausschließlich auf den Körperkontakt zu verlassen. Dies könnte die Interaktion und Steuerung von Robotern erheblich verbessern und die Einschränkungen herkömmlicher taktiler Sensoren überwinden, die auf direkten Kontakt angewiesen sind, um effektiv zu funktionieren."
Die künstliche Haut, die die Wissenschaftler in der Studie "Multi-receptor skin with highly sensitive tele-perception somatosensory" beschreiben, die in Science Advances erschienen ist, besteht aus einer PTFE- (Polytetrafluorethylen) und einer PDMS-Dünnschicht (Polydimethylsiloxan), einem strukturdotierten Elastomer, in das anorganische, nichtmetallische Nanopartikel eingebettet sind. Sie verbessern die dielektrischen Eigenschaften. Außerdem ist eine Silbernanodrahtschicht eingebracht, die als Elektrode dient. Das PDMS-verkapselte Substrat erhöht die Flexibilität und den Schutz.
Die künstliche Haut kann über Kontaktelektrifizierung auf taktile Reize reagieren. Dabei nutzen die Forscher die Überlappung der Elektronenwolken der beiden Materialien zur einfacheren Übertragung von Elektronen, wodurch triboelektische Elektrizität erzeugt und der Reiz ausgewertet werden kann.
Kontaktlose Erkennung
Anders sieht es bei der kontaktlosen Wahrnehmung, der Tele-Wahrnehmung, aus: Dazu nutzt die Haut elektrostatische Induktion. Die Nanopartikel in der Haut erhöhen die dielektrische Polarisation, sodass die Haut Änderungen in elektrischen Feldern erkennen kann, sobald sich Objekte in der Nähe befinden. Bis zu einem maximalen Abstand von 150 mm soll die Haut Objekte wahrnehmen. Dabei verwenden die Forscher Deep-Learning-Techniken, um über die Auswertung der Sensordaten Materialien identifizieren und Objekte erkennen zu können. Das gelang nach Angaben der Wissenschaftler mit einer Genauigkeit von 99,56 Prozent.
Doch das ist den Forschern noch nicht genug. Sie wollen die Genauigkeit noch weiter erhöhen und das System vielseitiger gestalten, um es im praktischen Einsatz einfacher verwenden zu können. Das sei möglich, indem Künstliche Intelligenz (KI) noch stärker integriert wird und neue Materialien zum Einsatz kommen. Dadurch können etwa die Präzision und die Reichweite der Erkennung verbessert werden. Die Wissenschaftler erhoffen sich außerdem, die Anpassungsfähigkeit und Robustheit des Systems sowie die Echtzeiterkennung zu erhöhen.
Eingesetzt werden könnte die dual-sensorische Haut etwa bei Robotern und autonomen Fahrzeugen zur besseren Umgebungswahrnehmung sowie bei Mensch-Maschine-Schnittstellen.
(olb)