Telekom & Co.: Warnung vor umfassenden Tracking über die Werbeplattform Utiq​

Führende europäische Netzbetreiber haben eine mobile Werbetechnik entwickelt. D64 moniert massives Datensammeln, Profilbildung und hohe Missbrauchsgefahr.​

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(Bild: Sashkin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Der Digitalverein D64, der der SPD nahesteht, bringt schwere Bedenken gegen die Online-Werbeplattform Utiq (vormals TrustPid) vor. Für den Betrieb des AdTech-Unternehmens erhielten die Gründer Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone Anfang 2023 grünes Licht von der EU-Kommission. Die führenden europäischen Netzbetreiber wollen Medien und Anzeigenkunden damit eine mit den EU-Datenschutzvorschriften kompatible Alternative zu den US-Werbenetzwerken von Google und Meta bieten. D64 kritisiert nun aber, Utiq sammle und verwerte die Daten von potenziell mehreren Hundert Millionen Kunden der großen Telekommunikationsanbieter. Die damit mögliche Überwachung im Big-Brother-Stil sei den meisten Nutzern solcher Online-Dienste gar nicht bekannt.

Bisherige Tracking-Methoden wie Drittanbieter-Cookies werden zunehmend von gängigen Browsern blockiert – Google will sie ganz aussortieren. Utiq soll daher laut der Analyse von D64 das Verfolgen von Spuren von Nutzern und das Erkennen ihrer Vorlieben über deren Smartphones übernehmen sowie automatisiert Werbebanner versteigern. Dabei "werden die IP-Adressen und Mobilfunknummern" verwendet, "um eine pseudonyme Kennung zu generieren", erläutern die Autoren.

Ausgangspunkt ist dem Papier zufolge das Öffnen der Webseite eines Utiq-Kunden per Handy, also etwa einer Online-Zeitung, auf der die Einwilligung der Betroffenen unabhängig vom klassischen Cookie-Banner erfragt werde. Stimmten die User zu, "werden sie getrackt". Sie könnten bei späteren Besuchen der ursprünglichen Webseite oder auch anderer Services, die Utiq einsetzen, über eine pseudonyme Kennung in Form eines "Network Signal" und darauf basierender weiterer IDs wiedererkannt werden.

Zu den aktuell 64 deutschen Medienpartnern von Utiq zählen die FAZ, die Süddeutsche Zeitung, das Handelsblatt, die Hamburger Morgenpost und Zeitungen der Ippen-Gruppe wie die Frankfurter Rundschau. Sie setzen darauf, Besucher über die Lösung mit personalisierter Werbung anzusprechen. D64 begrüßt dabei die "vertraglich vorgegebene Vereinheitlichung der Gestaltung und des Inhalts der in den Consent-Bannern angezeigten Informationen" sowie den Verzicht auf Dark Patterns, über die Nutzer mit Designtricks zur Einwilligung verleitet werden sollen. Es gebe zudem eine einfach zugängliche Option, zentral allen Verarbeitungen durch Utiq in einem Consent Hub zumindest für ein Jahr lang zu widersprechen.

Als negativ bewerten die Verfasser, dass ein zweites Zustimmungsbanner neben den klassischen Cookie-Schaltflächen voraussichtlich als störend empfunden werde. Damit erhöhe sich deren Bereitschaft nicht, "sich mit der Verarbeitung der eigenen Daten auseinanderzusetzen". Ferner sei es möglich und naheliegend, dass Kunden den Nachverfolgungsdienst von Utiq mit anderen Tracking-Technologien kombinieren und damit die eingesetzten Pseudonymisierungen und weitere Datenschutzvorgaben umgangen werden. Letztlich würde dies dazu führen, dass Nutzern durch Utiq nicht mehr, sondern weniger Kontrolle über die Verwendung ihrer persönlichen Informationen erhalten.

Der AdTech-Verbund erstelle eine umfassende Sammlung der von den Usern in den letzten 90 Tagen besuchten Webseiten, beschreibt D64 große Missbrauchsgefahren. Diese Datensammlung sei nicht nur für Werbetreibende, sondern auch für böswillige Akteure wie Cyberkriminelle und Strafverfolgungsbehörden interessant. Weiter heißt es: "Kann ein Dritter auf die bei Utiq und dem Telekommunikationsunternehmen gespeicherten Daten zugreifen, sei es durch einen rechtswidrigen Angriff oder auf Basis einer behördlichen Anordnung", ließe sich das pseudonyme Network Signal auf die Anschlussinhaber zurückführen. Die nur für Werbezwecke gedachte Datensammlung würde so "Auskunft über die Internetaktivitäten einer Person ermöglichen, mithilfe derer sich ein umfassendes Persönlichkeitsprofil mit intimen Details erstellen lässt".

Als Fazit zieht der Verein, dass mit Utiq "ein weiterer Service zur Werbeindustrie dazustößt", der "über Tracking und Profilbildung die Privatsphäre" von Nutzern gefährde. Für deren Schutz wäre es stattdessen erforderlich, dass sich echte Alternativen wie kontextbasierte Werbung im digitalen Raum durchsetzen. Nach Ansicht von Kritikern hat sich die AdTech-Branche insgesamt zu einer 650 Milliarden US-Dollar schweren Industrie entwickelt, die auch als "unsichtbare Macht" technische Standards setzt. Über das "verteilte Überwachungssystem" werde "jede kleine Regung" der Bürger in vermarktbare Form gebracht.

(mki)