Terry Jones, die Karikatur und die Angst vor dem Chaos

Eine sektenähnliche Kirche in Florida mit 50 Mitgliedern sorgt mit ihrer Ankündigung, den Koran zu verbrennen, für große Aufmerksamkeit und Befürchtungen - auch beim Kommandeur der US-Streitkräfte in Afghanistan, General Petraeus

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Das Buch, das er verbrennen will, kennt er nicht, aber er weiß, dass es nicht im himmlischen Archiv steht. Der „allmächtige Gott“, Schöpfer der Welt, ist nicht dessen Quelle, sondern menschliche Autoren, das argwöhnt Terry Jones wie viele andere, die das auch von der Bibel behaupten. Aber der Chef des Dove World Outreach Center in Gainesville, Florida, zieht daraus Konsequenzen, vor denen aufgeklärte Geister zurückscheuen: Jones hält diesen Grund zusammen mit neun anderen für hinreichend, um den Koran öffentlich zu verbrennen (siehe Evangelikale Extremisten rufen am 11.9. 2010 zum "Burn a Koran Day" auf).

Jones ist keine Taube, wie dies der Name seiner Kirche vermuten läßt. Er ist bewaffnet und kreuzüglerisch, wenn es um den Islam geht. „Islam is of the Devil“, war das Banner des letztjährigen Feldzuges. Die Aufmerksamkeit, die er dadurch gewann, richtete sich in der Folge allerdings auch auf dunkle Seiten seiner Kirchen-und Geschäftstätigkeit.

Was ehemalige Mitglieder, unter anderem seine Tochter, über Praktiken der Dove World Outreach Academy berichteten, stellt eine sektenähnliche Welt vor, in der die Mitglieder mehrere Stunden täglich unentgeltlich Möbel für Jones Firma schleppen müssen, die über ebay verkauft werden. Jeder Kontakt nach außen - auch mit ihren Familienmitgliedern -, ist den Kultmitgliedern untersagt. Nach Angaben der Jones-Tochter mussten die Akademiemitglieder khakifarbene Cargo-Hosen tragen, durften keine Süßigkeiten essen und mussten jede Woche ihr Gewicht prüfen lassen - eine skurille Welt. In der unbedingter Gehorsam auf alle Befehle an oberster Stelle steht und um Sprecherlaubnis gefragt werden muss - ein Aufklärer ist Terry Jones nicht, eher die lebendig gewordene Karikatur eines Eiferers im 21. Jahrhundert.

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Terry Jones (Bild: Screenshot aus einem Video. Quelle: http://www.doveworld.org/)

Doch wie wird solch' ein Gockel mit Wrestler-Hogan-Bart weltberühmt?

Gainesville, Florida listet bei rund 120 000 Einwohner mehr als siebzig christliche Kirchen auf; eine recht große Artenvielfalt, bei der das Dove World Outreach Center gar nicht vorkommt. Die von größeren Publikationenin den USA, u.a. das Wall Street Journal als "Mega-Church" bezeichnete Gemeinde zählt Lokalmedien zufolge gerade 50 Mitglieder. Etwa 30 Besucher zählte ein Lokalreporter bei einem Gottesdienst an einem Sonntag im August.

Mehr als 150 Interviews für Medien weltweit hat Jones mittlerweile gegeben; Protestdemonstrationen gegen die angekündigte Koranverbrennung in Indonesien und besonders in Afghanistan bescheren der Eiferergruppe in Florida weltweite Aufmerksamkeit. Die Stellungnahme von Generals Petraeus zu Jones' Koranverbrennung ist auch Thema iranischer Fernsehsender.

Die Aktion bringe amerikanische Soldaten in Gefahr und die gesamten Bemühungen in Afghanistan, erklärte der Kommandeur der US -Streitkräfte in Afghanistan und der ISAF. Die Verbrennung des heiligen Buches der Muslime bezeichnete er als "genau die Art von Aktion, welche die Taliban ausnützen und größere Probleme bereiten könnte" - "nicht nur hier, sondern überall in der Welt, wo wir es mit der islamischen Gemeinschaft zu tun haben".

Trotz Bedenken der örtlichen Feuerwehr ist die Veranstaltung nicht verboten, wie die Gainesville Sun berichtet. Die örtliche Polizei will am Samstag Führerschein-Kontrollen an der einzigen Zufahrt, der Northwest 37th Street, zur "Dove World" durchführen.

Die kleine bizarre Taubenwelt ist durch das weltweite Netz berühmt geworden. Hoffentlich gilt nicht das alte Chaos-Prinzip, wonach der Flügelschlag von Tauben in Florida woanders Wirbelstürme auslöst.