The Expanse, Staffel 5: Ausnahme-Science-Fiction am Wendepunkt

Fans der Serie The Expanse schauen mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die ersten Folgen der fünften Staffel, die nun bei Amazon angelaufen ist.

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Belter-Admiral Camina Drummer ist in Staffel 5 auf Rachefeldzug.

(Bild: Amazon Studios)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Die fünfte Staffel der Science-Fiction-Serie The Expanse ist vergangene Woche bei Amazon Video angelaufen. Für Fans ist das ein Grund zum Jubeln und Bangen zugleich. Jubel, weil sie zehn weitere Folgen der Ausnahme-Serie bekommen. Bangen, weil Amazon mit Erscheinen der fünften Staffel zwar auch eine sechste Staffel angekündigt hat, dies aber die letzte der Serie sein soll. In der Zwischenzeit halten die ersten drei Folgen der neuen Staffel was sie versprechen. Fans der Serie kommen auf ihre Kosten. Für alle anderen wird auch Staffel 5 keinen Grund bieten, in die Serie einzusteigen. Dafür ist die Serie mittlerweile zu unnahbar.

Hinweis: Diese Meldung ist, was den Inhalt der fünften Staffel von The Expanse angeht, so spoilerfrei wie möglich.

Wer The Expanse zu schätzen lernen will, muss die Serie wohl oder übel von Anfang an sehen – und die ganze Zeit mit voller Aufmerksamkeit dabei bleiben. Der Plot ist so komplex und dicht, auch wenn man das am Anfang kaum überblicken kann, dass man eigentlich keine Minute verpassen darf. Sonst hat man keine Chance zu verstehen, was da vor sich geht. Allerdings entwickelt sich vor allem die erste Hälfte der ersten Staffel derart langsam, dass viele Zuschauer gelangweilt abschalten. Besonders der Kriminalfall, den Detective Miller zu lösen versucht. Das Ganze ist als großartiger Neo-Noir verfilmt. Leider ist Neo-Noir aber weit davon entfernt, den Massenmarkt zu bedienen. Und so prallte so manch ein Sci-Fi-Fan in den letzten Jahren am Einstieg dieser Serie ab. Niemand, der die ersten vier Staffeln der Serie nicht ganz gesehen hat, wird in Staffel 5 von The Expanse einsteigen und Spaß haben.

Für Fans der Serie ist das natürlich nebensächlich. Sie haben alle bisherigen Folgen gesehen und bekommen mit den ersten drei Folgen der fünften Staffel genau das, was sie erwarten. In den ersten Folgen geht es vor allem um die Vergangenheit der Hauptcharaktere. Amos stellt sich seiner Vergangenheit in Baltimore. Alex versucht, sich seiner Familie auf dem Mars anzunähern und Naomi begibt sich auf die Suche nach ihrem verlorenen Sohn. James Holden, der den Refit der Rocinante auf Tycho überwacht, wird allerdings mit der Zukunft konfrontiert. Ohne es zu wissen ist er wieder mal einem Mysterium auf der Spur, dass auch Chrisjen Avasarala nachts wach hält.

Fans, die die Bücher gelesen haben, auf denen die Serie beruht, können wohl allerdings nicht anders, als sich nach den ersten drei Folgen Sorgen um die Zukunft der Serie zu machen. Nicht etwa, weil das gezeigte enttäuschend wäre – bisher sieht alles danach aus, als kann auch Staffel 5 liefern, was die Bücher versprechen. Aber die Ankündigung, dass nach Staffel 6 Schluss mit der Serie sein soll, muss unweigerlich bedeuten, dass die Serie nicht so zu Ende gebracht werden kann, wie die Fans sich das wünschen. Dafür müssen entweder riesige Teile der Geschichte ausgeklammert oder übersprungen werden.

Sechs Staffeln sind für eine Streaming-Serie dieser Tage eine Ewigkeit. Vorbei sind die Zeiten, in denen zum Beispiel Star-Trek-Serien standardmäßig sieben Staffeln bekamen. Sechs Staffeln The Expanse sind eine herausragende Leistung. Vor allem für eine Serie, die bereits vor dem Abgrund stand und dann überraschend gerettet wurde. Aber sechs Staffeln reichen nicht, um die Buchserie zu verfilmen. Wer die Expanse-Romane gelesen hat, weiß, dass alles, was wir bisher in der Serie gesehen haben, lediglich der Anfang der Geschichte war. Und so haben die beiden Autoren, die unter dem Pseudonym James. S. A. Corey firmieren und gleichzeitig Produzenten der Serie sind, angedeutet, dass Geschichte der letzten zwei oder drei Romane nicht in der Serie erzählt werden. Seitdem gibt es Gerüchte und Andeutungen, die eine oder mehrere Miniserien oder sogar Filme ins Spiel bringen. Aber sicher ist davon nichts. Alles was wir bisher wissen, ist, dass die Serie wahrscheinlich enden wird, bevor die ganze Geschichte erzählt ist. Und das ist, bei einer Geschichte, die so offensichtlich als großes Ganzes konzipiert wurde, äußerst enttäuschend.

Hinzu kommt, dass mit Ankündigung der sechsten Staffel bekannt wurde, dass Cas Anvar nach der fünften Staffel die Besetzung der Serie verlassen wird. Cas Anvar spielt mit Alex Kamal eine Figur, die untrennbar Teil der Familie an Bord des Raumschiffs Rocinante ist. Bisher wurde nicht bekannt, ob die Figur ganz aus der Serie gestrichen oder neu besetzt wird. Während die erste Möglichkeit fast undenkbar ist, wäre die zweite ziemlich enttäuschend für viele Fans, die mit Bestürzung auf die Ankündigung reagierten, dass Anvar aus der Besetzung geschmissen wurde. Anvar war im Sommer von Dutzenden Frauen auf Twitter sexueller Übergriffe beschuldigt worden. Die Produktionsfirma hinter The Expanse hatte die Vorwürfe daraufhin von unabhängigen Ermittlern untersuchen lassen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde nicht veröffentlicht. Ebenso sind keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen Anvar bekannt geworden.

Man kann sich nach einer Sichtung der Vorwürfe gegen Anvar kaum des Gefühls erwehren, dass an den Anschuldigungen etwas dran ist. Dafür sind die Schilderungen zu vielfältig und zu glaubwürdig. Verschiedene Frauen, darunter ein ehemaliges Crew-Mitglied von The Expanse, beschuldigen Anvar, seinen Status als Schauspieler bei The Expanse – und vorher als Synchronsprecher in der Videospielreihe Assassin's Creed – missbraucht zu haben, um Frauen zu sexuellen Handlungen zu bewegen. Das reicht von aufdringlichen Text-Nachrichten bis hin zu, so die Vorwürfe, versuchter Vergewaltigung. Einige der Frauen sollen zum Zeitpunkt der Taten minderjährig gewesen sein, was Anvar anscheinend wusste. Viele dieser Übergriffe sind augenscheinlich im Umfeld von Videospiel- und Sci-Fi-Conventions passiert. Anvar war bis zum Zeitpunkt der Vorwürfe im Umfeld der Serie sehr aktiv, vor allem auf Twitter. Seitdem hat er sich anscheinend nicht mehr öffentlich geäußert. Er hat die Vorwürfe bisher nicht direkt bestritten.

Eine Szene ziemlich am Anfang der fünften Staffel lässt dieses hässliche Thema dann auch gleich wieder frisch beim Zuschauer aufleben. In der Szene gibt sich eine Offizierin der marsianischen Flotte als Groupie von Anvars Figur Alex Kamal, um diesen auszuspionieren. Nach dem Ende des feucht-fröhlichen Abends will Kamal es allerdings nicht bei einem einfachen Gute-Nacht-Kuss beruhen lassen und wird etwas zu aufdringlich. Das Ganze erinnert dann doch ein bisschen zu sehr an die echten Vorwürfe gegen Anvar. Dass die 5. Staffel schon abgedreht war, als die Vorwürfe öffentlich wurden, hilft da allerdings nicht. Die Szene hinterlässt einen sehr bitteren Nachgeschmack.

Und so steht The Expanse in mehrfacher Hinsicht vor einer unsicheren Zukunft. Was wirklich schade ist, da es sich bei The Expanse wohl um das Beste handelt, was in Sachen Science Fiction momentan als Streaming-Serie verfügbar ist. Und die ersten drei Folgen der fünften Staffel werden diesem Prädikat bisher durchaus wieder gerecht. Nun wird sich zeigen müssen, ob die Macher der Serie, ähnlich wie sie es bisher immer geschafft haben, auch die Hindernisse überwinden können, die ihnen das Jahr 2020 in den Weg gelegt hat.

Im Unterschied zu den bisherigen vier Staffel können Fans in Deutschland die aktuellen Folgen von The Expanse zum ersten Mal nicht am Stück sehen. Am vergangenen Mittwoch hat Amazon die ersten drei Folgen veröffentlicht, eine weitere Folge erscheint ab jetzt jeden weiteren Mittwoch. Die zehnte und letzte Folge der 5. Staffel erscheint am 3. Februar.

(fab)