Totgesagte leben länger: Über 100 EDGE-Netze weltweit

Aus der Industrie hört man regelmäßig einander widersprechende Äußerungen zu dem Mobilfunk-Standard. Manche Netzbetreiber meinen, er sei in Zeiten von UMTS unnötig, andere sehen EDGE als günstige Alternative zu UMTS.

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Mindestens 109 GSM-Netze in 65 Ländern arbeiten an dem schnellen EDGE-Standard oder bieten es bereits an. Von den 34 bereits kommerziell betriebenen Netzen befinden sich 21 in Asien und Europa und dem Nahen Osten, 13 in Nord- und Südamerika sowie der Karibik. Dies meldet die Herstellervereinigung Global mobile Suppliers Association (GSA). EDGE (Enhanced Data Rates for GSM Evolution) ist eine Weiterentwicklung von GPRS, mit der dank verbesserter Modulation theoretisch bis zu 59,2 kBit/s pro Zeitschlitz übertragen werden können, was insgesamt bis zu 473,6 kBit/s ergibt. Daher wird sie bisweilen auch als 2.75G bezeichnet. Der tatsächlich erreichte Weltrekord liegt bei 235,6 kBit/s. EDGE kann die Kapazität in GPRS-Netzen deutlich erhöhen, weil für die gleiche Übertragungsgeschwindigkeit weniger Zeitschlitze belegt werden.

Aus der Industrie hört man regelmäßig einander widersprechende Äußerungen zu EDGE. Manche Netzbetreiber meinen, es sei in Zeiten von UMTS unnötig, einige sehen darin einen Weg, abseits der UMTS-Netzabdeckung eine schnelle Datenübertragung zu ermöglichen. Eine dritte Gruppe erkennt EDGE als günstige Alternative zu UMTS, zumal keine neuen Lizenzen und Frequenzen erforderlich sind. Wieder andere errichten parallel flächendeckende UMTS- und EDGE-Netze -- insbesondere für deren Kunden hat Nokia für das vierte Quartal das Smartphone 6630 angekündigt, das UMTS und EDGE beherrscht.

In Deutschland haben Vodafone und O2 nicht vor, die GPRS-Weiterentwicklung einzuführen. Auch E-Plus setzt auf UMTS, will EDGE aber nicht ausschließen: "EDGE in bestimmten Bereichen eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Wir werden aufmerksam beobachten, wie der Markt sich entwickelt", sagte Pressereferentin Christiane Kohlmann gegenüber heise online. Von den T-Mobile-Pressestellen in Deutschland und Österreich liegen ebenso keine Stellungnahmen vor wie von telecom FL.

Mobilkom Austria hat in den Tochtergesellschaften in Kroatien (VIPnet) und Slowenien (Si.mobil) den schnelleren Standard bereits eingeführt. In Slowenien war dem Unternehmen eine UMTS-Lizenz deutlich zu teuer, seit Dezember werden die Städte Ljubljana, Maribor, Portoroz mit EDGE versorgt. In Kroatien steht die Versteigerung von drei UMTS-Frequenznutzungsrechten noch bevor; im April 2004 wurde EDGE in Teilen des Netzes aktiviert, im Juni wurde bereits eine Netzabdeckung von 90 Prozent gemeldet. Die Mobilkom-Netze in Österreich und Liechtenstein werden es ihren Schwestern zumindest vorerst aber nicht nachmachen: "Wir evaluieren laufend alle Access-Technologien." In Österreich hat die Mobilkom bereits ein UMTS-Netz mit aktuell 51 Prozent Netzabdeckung in Betrieb. Ebenso betreiben One und tele.ring UMTS-Netze in Österreich und planen nicht mit EDGE. One meinte unter anderem, dass UMTS-fähige Handys schneller in Umlauf sein würden als EDGE-Geräte. Bei tele.ring ist das letzte Wort noch nicht gesprochen "Die Nachfrage nach mobilen Datendiensten ist noch in einem ganz frühen Stadium, sodass hier keinerlei Zeitdruck herrscht. Auf dem amerikanischen Kontinent ist EDGE als Vorstufe zu UMTS in vielen Regionen notwendig, da die UMTS-Frequenzen noch für ein paar Jahre militärisch genutzt werden."

"Swisscom Mobile wird bis Anfang 2005 ein flächendeckendes mobiles Breitbandnetz aus einer Kombination von WLAN, UMTS und EDGE aufbauen", war aus der Schweiz zu erfahren. Die Orange-Netze in der Schweiz und Liechtenstein betreffend heißt es: "Orange wird im vierten Quartal 2004 UMTS in der Schweiz lancieren. Es ist denkbar, dass vor allem in Randregionen, wo UMTS anfangs nicht zur Anwendung kommen wird, EDGE im Laufe des nächsten Jahres zur Verfügung stehen wird."

Ebenfalls in beiden Ländern aktiv ist Sunrise: "Sunrise wird EDGE allenfalls als Ergänzung zu UMTS in den Randregionen einsetzen, ein entsprechender Business Case wird bei uns evaluiert. Definitiv ist aber noch nichts entschieden worden." Tele2 ist derzeit damit beschäftigt, Standorte für sein geplantes GSM-Netz zu akquirieren. Eine Entscheidung für oder gegen EDGE ist hier noch nicht gefallen. In&Phone will sich auf die Inhouse- und Campus-Versorgung von Großkunden mit Pico-Sendern spezialisieren, "wirklich innovative Dienste" wurden angekündigt. Zum aktuellen Stand der Dinge gibt sich In&Phone bedeckt, Details würden zum Jahresende verraten. Schwerpunkt der Dienstleistung werde sicher Sprachtelefonie sein, GPRS und später vielleicht auch EDGE werden eventuell zusätzlich angeboten. Wahrscheinlich wird dies von den individuellen Wünschen des jeweils versorgten Großkunden abhängen. (Daniel AJ Sokolov) / (tol)