Trauer um Professor Datenschutz

Spiros Simitis gilt als Vater des Datenschutzes in Deutschland und Vordenker der DSGVO in Europa. Er kämpfte für eine selbstbestimmte Gesellschaft.

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Sipros Simitis

(Bild: Pixabay)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Spiros Simitis ist nach langer Krankheit am 18. März gestorben. Der griechisch-deutsche Jurist und Datenschutz-Pionier wurde 88 Jahre alt. Er war Mitautor des hessischen Datenschutzgesetzes von 1970, eines der ersten seiner Art. Von 1975 bis 1991 war er der Datenschutzbeauftragte von Hessen.

Fachlich war Simitis ab 1969 Professor für Arbeitsrecht, Bürgerliches Recht und Rechtsinformatik in Frankfurt am Main. Dort richtete er die Forschungsstelle Datenschutz ein, die das Thema im europäischen Recht verankerte.

Auf einer Datenschutzkonferenz zu seinem Fachthema befragt, berichtete Simitis, wie ihn die Lektüre der Kybernetik von Norbert Wiener beeinflusst hatte. Wenn Maschinen Arbeitsprozesse steuern, muss das Arbeitsrecht modifiziert werden, um die Menschen zu schützen. Ein anderer Schwerpunkt seiner Arbeiten waren die Daten der Bürger, die Behörden in ihren Mainframes der 70er-Jahre sammelten, um besser für die Zukunft planen zu können. Datenschutz war so gesehen für Simitis die Beschränkung des Staates, nicht alles mit den Daten der Bürger machen zu können, was technisch durch die Verknüpfung von Informationen möglich war.

Spiros Simitis: Um Daten zu erheben sollte der Staat zunächst das Vertrauen der Bürger gewinnen.

(Bild: Universität Frankfurt)

Gleichzeitig forderte er für vorhandene Datenbestände einen Zugang für die jeweilige Opposition, um die Regierung zu kontrollieren: quasi einen Vorläufer der heutigen Informationsfreiheitsgesetze. Die Gedanken von Simitis spielten eine wichtige Rolle beim Streit um die für 1983 angesetzte Volkszählung. An den Auseinandersetzungen beteiligten sich neben den Juristen erstmals auch Informatiker.

Am Ende trat mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes die "informationelle Selbstbestimmung" in die Welt. "[Das Gericht] hat gesagt, dass statistische Erhebungen nur dann einen Sinn haben, wenn sie auf dem Vertrauen der Bürger beruhen, also auf der Bereitschaft der Bürger zusammenzuarbeiten", erklärte SImitris vor laufenden Kameras.

Auch im Arbeitsrecht leistete Simitis Pionierarbeit. Das sogenannte Simitis-Gutachten von 1979, offiziell "Frankfurter Gutachten zum Mitbestimmungsgesetz" genannt, war dafür verantwortlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde der Arbeitgeber gegen die paritätische Mitbestimmung abwies. Mit dem Begriff "Kindeswohl" erweiterte er das Familienrecht um eine Kategorie, die das gesamte körperliche und seelische Wohlergehen des Kindes umfasst.

Nach seiner Emeritierung setzte sich Spiros Simitis weiter für den Datenschutz ein. Im Jahre 2019 erschien der neue Simitis, ein 1474 Seiten starker Kommentar zur gerade eingeführten Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), an dem 20 Autoren mitwirkten, unter ihnen zahlreiche Datenschützer. Das Werk ist bis heute die wichtigste Quelle für alle, die sich über Datenschutzrechte informieren wollen.

Schließlich sei noch der mit seiner Zustimmung geschaffene Spiros-Simitis-Award erwähnt, der von der gewerkschaftsnahen Datenschutz- und Technologieberatung (DTB) vergeben wird. Mit ihm werden seit 2015 Betriebsräte ausgezeichnet, die die Datenschutzrechte von Arbeitnehmern praktisch umsetzen.

In der Süddeutschen Zeitung schrieb Heribert Prantl, selbst Jurist, dass viele Maßeinheiten in der Physik nach ihren Erforschern benannt sind, etwa Ampere, Volt oder Watt. Entsprechend müsse die Maßeinheit für den Datenschutz "Simitis" heißen. Das hätte der stets charmant argumentierende Simitis mit einer der Anekdoten abgelehnt, die er für solche Fälle parat hatte: Datenschutz kann nicht gemessen, sondern muss immer wieder von der Gesellschaft neu ausgehandelt werden.

(agr)