"Treu dem Aufbau der katalanischen Republik"

Joaquim Torra i Pla (2015)

(Bild:  Òmnium Cultural / CC BY-SA 2.0)

Joaquim "Quim" Torra Pla hat sich als Stellvertreter von Carles Puigdemont in Katalonien erklärt, der an dessen Weg in die Unabhängigkeit festhalten will

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Wie erwartet, hat die linksradikale CUP sich im ersten Wahlgang enthalten, weshalb der 55-jährige Joaquim (Quim) Torra i Pla noch bis zum Montag ausharren muss, ob er doch noch im zweiten Durchgang zum 131. Präsidenten Katalonien gewählt wird.

Im ersten Wahlgang hat sich die CUP wie im Fall des Kandidaten Jordi Turull verhalten. Der zweite Wahlgang konnte im März in seinem Fall nicht mehr stattfinden, da er zuvor schnell noch vom spanischen Richter Pablo Llarena inhaftiert wurde.

Basisdemokratisch gegen den Kandidaten von Puigdemont

Für die antikapitalistische CUP ist Torra und sein Werdegang in der Privatwirtschaft nicht unumstritten, weshalb über das Abstimmungsverhalten im zweiten Wahlgang am Montag auf einer Basisversammlung am Sonntag entschieden wird.

Da die Formation streng basisdemokratisch entscheidet, ist in diesem Fall möglich, dass sie sich auf der Versammlung des Politikrats sogar dafür ausspricht, gegen den von Puigdemont ausgewählten Kandidaten Torra zu stimmen.

Zwei Fragen stellt sie ihren Mitgliedern: Die erste Frage ist, ob man die Investitur von Torra befördern will. Sollte sich die Mehrheit dafür aussprechen, wird gefragt, ob dies über ein "Ja" oder eine Enthaltung ermöglicht werden soll.

Doch eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, diese Entscheidung vor dem ersten Wahlgang am Samstag zu treffen. Im Fall, dass man sich für ein "Ja" für Torra ausspricht, hätte der nämlich dann schon mit den Stimmen der CUP am Samstag ins Amt gewählt werden können.

Ein zweitägiger Möglichkeitsraum für die spanische Justiz

So lässt die CUP einen zweitägigen Raum offen, in dem die spanische Justiz wieder eingreifen könnte, was ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Chancen sind gestiegen, da sich Torra klar für den Aufbau der Republik und die Unabhängigkeit ausgesprochen hat. Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy erklärte darauf:

"Es gefällt uns gar nicht, was wir von Quim Torra gehört haben."

Der CUP-Sprecher Carles Riera hat eine andere Einschätzung, er meint, dass es sich um eine Kandidatur handele, die "der spanische Staat akzeptieren" und der Bourbonenkönig absegnen kann. Angeblich wollten Puigdemonts Gemeinsam für Katalonien (JxCat) und die Republikanische Linke (ERC) zum Autonomierahmen zurück, weshalb sie nicht auf den zivilen Ungehorsam setzen würden, meint Riera.

"Ja, ich bin radikal"

Das wies Torra allerdings in der Replik klar zurück. "Ja, ich bin radikal", erklärt er, da er an die Wurzel der Probleme gehen und nicht zurück zum Autonomierahmen will.

Bis dahin schien es, dass Riera die Ohren verschlossen hatte und auch nicht wahrnehmen wollte, dass die Unionisten und auch der Vertreter von Podemos auf Torra eingeprügelt haben. Torra hatte zentral den Aufbau der Republik in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt hat. Zuletzt nahm aber auch der CUP Sprecher die klaren Aussagen von Torra zur Autonomiefrage "zur Kenntnis".

Dabei hätte er schon zuvor zur Kenntnis nehmen können, wie die Oppositionsführerin Ines Arrimadas dessen Aussagen bewertet hat. Sie warf Torra vor, weiter Öl ins Feuer zu gießen. Die Chefin der rechten Ciudadanos (Bürger) in Katalonien sagte zu Torras: "Sie sind nicht gekommen, um eine Regierung zu führen, sondern ein Komitee zur Verteidigung der Republik." Die CDR sind für Straßen-, Autobahn- und Schienenblockaden verantwortlich.

Spanien will deshalb Mitglieder sogar schon als "Terroristen" anklagen. Und der Chef der postfaschistischen spanischen Volkspartei (PP) in Katalonien hat in der Debatte erklärte: "Wir kommen von einem Separatisten zu einem möglichen Antispanier." Xavier Garcia Albiol fügte an: "Mit ihnen wird der Einsatz der radikalen Unabhängigkeitsbewegung verdoppelt." Diese Aussagen decken sich kaum mit der Einschätzung von Riera, Torra wäre ein Kandidat, der Spanien gefällt.

Ein "Nein" der CUP am Sonntag?

Trotz allem lässt der kritische Diskurs des CUP-Sprechers im Parlament jedenfalls die Möglichkeit offen, dass sich in der CUP am Sonntag auch ein "Nein" durchsetzen könnte. Damit würde Torra durchfallen, wenn das vielschichtige linksradikale Bündnis sogar mit den Unionisten gegen ihn stimmen und damit Neuwahlen erzwingen würde. Das wäre ein Szenario des politischen Selbstmords für die CUP.

Viele an der Basis haben schon die Entscheidung zu Turull hart kritisiert und ein offener Konfrontationskurs mit JxCat und der ERC würde die CUP bei einer Ablehnung von Torra wahrscheinlich in die Spaltung treiben.

Die Rolle der CUP

Das gilt besonders, da nicht alle Mitglieder über diese wichtige Frage entscheiden durften, sondern nur die im Politikrat vertretenen. Schon einmal stürzte die CUP mit der Ablehnung des Haushalts den Unabhängigkeitsprozess in eine Krise und damit schließlich auch die eigene Formation.

Es wäre die CUP, die dann mit einem "Nein" aktiv verhindert hätte, dass ein Kandidat gewählt werden kann, den der aus Spanien abgesetzte Puigdemont als Stellvertreter ausgewählt hat. Torra wurde von Puigdemont wegen seiner Geschichte gewählt und weil seine Wahl aus Spanien kaum zu verhindern ist, ohne die spanische Verfassung auch noch bis zur völligen Unkenntlichkeit zu verbiegen - wie das mit den vielen Tricks und Winkelzügen, mit Rechtsumgehung und Rechtsbeugung ohnehin schon geschehen ist.

Klar ist, dass Torra erst Ende 2017 zu den aus Madrid verordneten Zwangswahlen Politiker wurde und auf Puigdemonts Liste kandidiert hat. Zuvor hatte Spanien Katalonien nach der Unabhängigkeitserklärung unter Zwangsverwaltung gestellt. Torra können allerdings für all diese Vorgänge keine Vorwürfe gemacht werden.

"Ich sollte heute nicht hier stehen“

Er machte in seiner Vorstellungsrede eines klar: "Ich sollte heute nicht hier stehen.“ Der Anwalt und Verleger meinte, dass der "legitime Präsident" Puigdemont ist und ins Amt eingeführt werden müsste. Er ist auch Schriftsteller, der für sein Buch "Eine unfreiwillige Reise in das unmögliche Katalonien" preisgekrönt wurde.

Er wies sogleich auch auf fehlende "politische Gefangene" und "Exilierte" wie Puigdemont hin. Torra will die Regierungsgeschäfte ohnehin nur "provisorisch" in Katalonien führen, womit er der CUP noch einen weiteren Schritt entgegenkam. Er will eng mit dem "Rat der Republik" unter Führung Puigdemonts im Exil kooperieren, bis der wieder zum Präsident gewählt wird. Es soll also ein Zweigespann gewählt werden, in dem Puigdemont die Fäden ziehen soll.

"Emotionaler Unabhängigkeitsbefürworter"

Torra wurde 1962 in Blanes geboren, einer Kleinstadt am Mittelmeer in der Provinz Girona, die eine Hochburg der Unabhängigkeitsbewegung. Und auch er ist ein klarer Verfechter des Wegs in die Eigenständigkeit und hat sich in Büchern und Essays mit der katalanischen Geschichte, besonders mit der zweiten spanischen Republik, beschäftigt.

Die hatte das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen anerkannt, wurde aber von den Putschisten unter Franco gestürzt. Für ihn ist nach Jahrzehnten in der Diktatur und den jahrzehntelangen Versuchen, die Beziehungen mit Spanien für beide Seiten zufriedenstellend zu regeln, klar, dass dies unmöglich ist.

An seinem Werdegang bestehen aus Sicht der Unabhängigkeitsfrage keine Zweifel. Er war ab 2013 Vizepräsident von Òmnium Cultural und wurde nach dem Tod von Muriel Casals 2015 Präsident der Kulturorganisation.

Er war schon 2011 Mitglied des ständigen Rats des Katalanischen Nationalkongresses (ANC). Diese großen Organisationen stehen hinter den riesigen Mobilisierungen für die Unabhängigkeit ab 2010. Im Jahr 2012 wurde er Direktor des Kulturdenkmals "Born Centre Cultural", einem Wahrzeichen für die Unabhängigkeit. Die Ruinen zeugen vom Barcelona, das 1714 nach einjähriger Belagerung unter die spanische Krone fiel und dem Boden gleichgemacht wurde.

Puigdemont wählte den Mann aus, der sich selbst als "emotionaler Unabhängigkeitsbefürworter" bezeichnet. Er spricht stets eine klare Sprache und versteckte sich auch am Samstag nicht hinter zweideutigen Äußerungen. Bisweilen vergreift er sich dabei auch in Worten.

Gerade entschuldigte er sich für gelöschte Äußerungen, die er vor Jahren über Twitter abgegeben hat, die als Beleidigungen gewertet wurden und wiederholte die Entschuldigung in seiner Rede vor dem Parlament.

Unmissverständlich für den Aufbau der Republik

Sie war ganz auf die CUP ausgerichtet, die ja eigentlich nur Puigdemont wählen wollte, um die Konfrontation mit Spanien zuzuspitzen. Sie hatte aber zuletzt auch die Tür geöffnet, auch einen Kandidaten zu wählen, wenn der Aufbau der Republik im Zentrum steht. Das hat Torra auch in den Mittelpunkt gestellt.

Deshalb erklärte er, der 20 Jahre in der Schweiz als Anwalt bei den Winterthur-Versicherungen gearbeitet hat, mit Blick auf das Unabhängigkeitsreferendum: "Ich stehe treu zum Programm des 1. Oktober und dem Aufbau der Republik."

Es gehe ihm aber auch darum, die Ausnahmesituation zu beenden, die „Institutionen zu restaurieren“ und dem Abbau der Rechte in den letzten Monaten einen Riegel vorzuschieben. Eine "Politik, die nicht wir machen, wird gegen uns gemacht", erklärte er mit Blick auf die spanischen Unionisten. Aber es gäbe auch "keine Ausrede", keinen "Staat in Form einer Republik aufzubauen".

Er will einen "konstituierenden Prozess" einleiten, mit breiter gesellschaftlicher Beteiligung, um "über die Zukunft unseres Landes zu debattieren". Er zeigte sich aber auch bereit, mit Spanien "ohne Vorbedingungen" über alles zu sprechen, sollte Ministerpräsident Mariano Rajoy endlich zu Verhandlungen bereit sein.