Tschechische EU-Präsidentschaft setzt auf Innovation und Patentreform

Die Wirtschaftskrise bestimmt auch den Tenor der tschechischen EU-Präsidentschaft, die zum Jahreswechsel für ein halbes Jahr den Vorsitz der EU-Treffen übernommen hat.

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Von
  • Monika Ermert

Die "drei E" – Economy (Wirtschaft), Energiepolitik und Europa – nannte der tschechische Premierminister Mirek Topolánek gestern als oberste Prioritäten der tschechischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2009. Angesichts der angespannten Situation der Weltwirtschaft will Tschechien auch den Themen Bildung und Innovation große Aufmerksamkeit schenken. Verzicht auf Protektionismus und Schutz geistigen Eigentums stehen ebenfalls auf der Agenda.

"Der Schutz von geistigem Eigentum und die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen wird im Zentrum der Aufmerksamkeit der tschechischen Präsidentschaft stehen", heißt es dazu im Grundsatzpapier (PDF-Datei) der Präsidentschaft. Etwaige protektionistische Reaktionen auf die Wirtschaftskrise müssten vermieden werden und auch bestehende Barrieren für den Austausch von Wissen und Wissenschaftlern innerhalb der Union gelte es zu überwinden.

Das von der tschechischen Präsidentschaft ausgerufene "Europäische Jahr der Kreativität und Innovation 2009" soll helfen, die zentrale Bedeutung von Innovationen durch Unternehmen und Universitäten zu unterstreichen. Dabei hofft die tschechische Präsidentschaft wie schon zahlreiche Vorgänger, endlich mit dem Projekt Gemeinschaftspatent voranzukommen. Mit Blick auf die Reformen im Patentwesen unterstreicht das Programm die Vorbereitungen für eine gesamteuropäische Patentgerichtsbarkeit und das seit Jahren umstrittene Gemeinschaftspatent.

Die Verhandlungen ziehen sich seit Jahren hin. Bislang scheiterte das Gemeinschaftspatent immer wieder am Streit über Details wie die Beschränkung auf wenige Sprachen für Patentanmeldungen. EU-Kulturkommissar Jan Figel geißelte zum Start des "Jahrs der Innovation und Kreativität 2009" die Blockade des Gemeinschaftspatentes als Haupthindernis im Innovationswettbewerb mit den USA und Japan. Die beiden Wettbewerber seien wesentlich aktiver bei Patentierungen.

Im Rahmen des "Jahrs der Innovation" planen die EU-Institutionen zahlreiche Veranstaltungen rund um das Thema, die zentrale Ministerkonferenz zum Thema findet im März 2009 in Prag statt. Dabei gehe es um die kreative Wirtschaft, das Verhältnis der Zivilgesellschaft zu Kreativität und die Umsetzung einer Kultur-Strategie. Natürlich steht mit der Kreativität auch das Thema Piraterie wieder mehrfach auf der Tagesordnung. So steht umstrittene internationale Anti-Piraterie-Abkommen ACTA für das Halbjahr der tschechischen Präsidentschaft auf dem Programm.

Ebenfalls im März beschäftigt sich eine Konferenz mit dem Thema Verantwortung von Providern und Nutzern. Nicht erwähnt wird im Grundsatzprogramm allerdings die auf Eis liegende, geplante Nachfolgedirektive zur Durchsetzung des geistigen Eigentums. Im Bereich der Telekommunikationspolitik hofft man auf einen Abschluss der novellierten EU-Richtlinien noch während der tschechischen Präsidentschaft. Um eine mögliche Regulierung von Inhalten in den TK-Richtlinien wurde in den vergangenen Monaten heftig gerungen.

Eine neue Initiative starten will die tschechische Präsidentschaft im Bereich des Schutzes von Kindern und damit steht ein "gemeinsames Vorgehen gegen illegale Inhalte im Internet" ebenfalls auf dem Programm. Details dazu liefert das Grundsatzpapier nicht, verweist aber auf eine eigene Ministerkonferenz zum Thema "sicheres Internet für Kinder".

Im Bereich Innenpolitik und innere Sicherheit schließlich will die Präsidentschaft sich mit Bedrohungen im Cyberspace" ("Cyber Threats") befassen. "Europas Abwehrfähigkeiten gegen Bedrohungen im Cyberspace" sollten verbessert werden. Die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich solle ebenso neu bedacht werden wie die Koordination von EU-Standpunkten zu schädlichen Inhalten auf Servern in Drittländern. Insgesamt sei eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit anzustreben, versichert die Präsidentschaft, nicht ohne gleichzeitig auf die Weiterarbeit an der Rahmenregelung für die Nutzung von Flugpassagierdaten in der Strafverfolgung zu verweisen.

Spannend dürfte im Rahmen der ersten tschechischen Präsidentschaft nicht zuletzt werden, wie sich der tschechische Staatspräsident und erklärte Euroskeptiker Vaclav Klaus in Szene setzt. Klaus hatte im vergangenen Jahr die tschechischen Verfassungshüter angerufen, weil er den Lissabon-Vertrag für nicht verfassungskonform hält. Auf dessen Abschluss will nun aber erklärtermaßen auch die tschechische Präsidentschaft hinarbeiten. Gleichzeitig sehen Kritiker die neue EU-Präsidentschaft durch eine angestrebte Kabinettsumbildung geschwächt. (Monika Ermert) / (vbr)