Twitter ändert ungefragt Einstellungen für Direktnachrichten

Verifizierte Nutzer von Twitter können jetzt alle anderen direkt kontaktieren. Die Anfragen landen in einem bestehenden Postfach. Ziel: Spam-Bekämpfung.

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Twitter-DMs für alle - wenn sie zahlen.

(Bild: Rokas Tenys/Shutterstock.com)

Update
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Nico Ernst
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In der Nacht zum Samstag deutscher Zeit hat Twitter überraschend die Einstellungen der Direktnachrichten für alle Nutzer der Plattform geändert. Vorgegeben ist nun, dass sogenannte "verifizierte Nutzer" sowie Accounts, denen man folgt, Direktnachrichten schicken können. Wer beispielsweise eingestellt hatte, dass nur Nutzer, denen man folgt, ihn kontaktieren können, muss das selbst wieder einstellen. Gleiches gilt, wenn man von allen Accounts Direktnachrichten erhalten will.

Das ist beispielsweise für Support-Accounts von Firmen, Unternehmen allgemein oder auch Journalisten zeitweise durchaus hilfreich. Bei den meisten Nutzern hat sich auf Twitter eingebürgert, die "Direct Messages" (DM) in der Regel nur für Menschen zuzulassen, denen man folgt, und sie nur zeitweise zu öffnen. Hatte man mit einer Person noch keinen Kontakt, so landet eine neue DM von ihr erst im Fach "Nachrichtenanfragen". Dort muss man die Anfrage annehmen, bevor man auch antworten kann. Das ist auch jetzt so, wenn die für die sogenannte Verifizierung zahlenden Kunden ungefragt DMs schicken.

In einem Tweet zu der Änderung begründet Twitter, dass die Änderung für die Bekämpfung von unerwünschter Werbung, alias Spam, nötig sei. In diesem Tweet ist auch eine Hilfeseite von Twitter verlinkt, eine Art Bedienungsanleitung – jedoch: Mit einem deutschen Account landet man dort bei einer offenbar noch älteren Version der Funktionsbeschreibung. Dort ist das neue Recht für verifizierte Nutzer, alle anzuschreiben, nicht erwähnt.

Elon Musk hatte die Plattform Ende Oktober 2022 übernommen, nachdem er lange den ursprünglich von ihm gebotenen Preis von 44 Milliarden drücken wollte. Begründung: Es gebe zu viele Bots auf der Plattform. Solche automatisierten Accounts werden vor allem zur Verbreitung von Spam genutzt, seit der Übernahme ist jedoch von einer Bekämpfung von Bots und Spam kaum etwas zu sehen.

Vor allem seit Anfang 2023 mehren sich die Berichte, dass die Zahl der unerwünschten DMs mit Spam zunehmen. Meist handelt es sich um die üblichen zweifelhaften Angebote des Internets zu Pornografie und Deals mit Kryptowährungen. Ohne Belege zu liefern, hatte Musk jedoch kürzlich behauptet, seit seiner Übernahme seien Spam und Bots um 90 Prozent reduziert worden. TechCrunch wertet die Änderung bei den DMs als Eingeständnis, dass Twitter nach wie vor ein Problem mit Bots und Spam hat. Offenbar steckt dahinter die Überlegung, das Verbreiten von Spam zumindest teurer zu machen, wenn es sich nicht auf anderem Wege eindämmen lässt.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist der Umstand, dass Accounts, die ihre DMs absichtlich offen halten, eventuellen Belästigungen von zahlenden Nutzern jetzt schutzlos ausgeliefert sind. Zudem ist die Möglichkeit, Nutzer direkt und nicht-öffentlich zu kontaktieren, etwa für Recherchen, jetzt standardmäßig für alle eingeschränkt worden. Bei einer Fülle von Nachrichtenanfragen sehen wohl viele Nutzer gar nicht mehr in dieses Postfach – wie beim Spam-Order anderer Dienste. Es ist also ratsam, die Einstellungen zu überprüfen und nach Bedarf richtig zu setzen. Derzeit gibt es drei Optionen: Nur Nachrichten von Menschen erhalten, denen man folgt, Nachrichten von Gefolgten und verifizierten Nutzern sowie Nachrichten von allen. Voreingestellt ist nun die zweite Möglichkeit. Dabei bleibt es zweifelhaft, eine Einstellung, die auch die Privatsphäre betrifft, für alle Nutzer eines sozialen Netzwerks ungefragt zu verändern.

Update

Nutzer berichten, dass die Voreinstellung auch nach manueller Änderung wieder auf DMs von verifizierten Nutzern gesetzt wird. Das tritt sowohl unter Android wie unter iOS und mit der Browser-Version von Twitter auf. heise online konnte das unter Android nachvollziehen. Seit dem Update auf die Android-App auf Version 9.97.0, die in der Nacht zum Sonntag erschien, bleibt die Option bei unserem Versuchsgerät so gesetzt, wie vom Nutzer eingestellt.

(nie)