Twitter entfernt 4,7 Millionen Tweets, sieht Meinungsfreiheit bedroht

Twitter erhält mehr Anfragen von Regierungen und von Dritten zur Herausgabe von Konteninformationen. Zudem habe der Dienst hunderttausende Konten gesperrt.

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(Bild: InFootage/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Twitter hat im ersten Halbjahr 2021 rund 4,7 Millionen gegen die Nutzungsrichtlinien verstoßende Tweets seiner Nutzerinnen und Nutzer entfernt, wie aus dem Transparenzbericht des Microblogging-Dienstes hervorgeht. Dabei erhielten 68 Prozent der entfernten Tweets weniger als 100 Impressionen, weitere 24 Prozent erhielten zwischen 100 und 1000 Impressionen. Außerdem wurden in diesem Zeitraum 44.974 Konten aufgrund von "Förderung von Terrorismus und gewalttätigen Organisationen" gesperrt – wobei Twitter angab, 93 Prozent der Konten proaktiv erkannt und entfernt zu haben.

Laut Transparenzbericht wurden in den sechs Monaten auch 453.754 Konten aufgrund von Verstößen gegen die Richtlinie zur sexuellen Ausbeutung von Kindern (Safety and Sensitive Content) dauerhaft gesperrt. Dabei erkannte und entfernte Twitter 89 Prozent dieser Konten mithilfe interner Werkzeuge und/oder in Kombination mit dem perzeptiven Algorithmus PhotoDNA, bevor entsprechende Meldungen von Inhalten eingehen konnten.

Darüber hinaus informiert Twitter im Rahmen weltweiter Diskussionen zur Regulierung digitaler Kommunikationsplattformen auch über Regierungsanfragen zu Kontoinformationen und -sperrungen. Die USA mache mit 3.026 Anfragen und damit 24 Prozent die meisten der weltweit eingegangenen staatlichen Informationsanfragen aus, so Twitter. 64 Prozent der weltweiten Anfragen von Regierungen beantwortete Twitter nach eigenen Angaben teilweise oder nicht – was einem Rückgang von 9 Prozent entspreche.

Twitter erhielt im Berichtszeitraum 43.387 rechtliche Forderungen zur Entfernung von Inhalten, die 196.878 Konten betrafen. Dabei gibt Twitter an, dass es sich dabei um die größte Anzahl von Konten handelt, die von Löschungsaufforderungen betroffen waren – seit dem ersten Transparenzbericht 2012. Von allen rechtlichen Forderungen zur Löschung von Inhalten weltweit stammten 95 Prozent aus fünf Ländern.

Gesetzliche Forderungen zur Löschung von Inhalten

(Bild: Twitter)

Die meisten Forderungen stammten in absteigender Reihenfolge aus Japan, Russland, der Türkei, Indien und Südkorea. In 54 Prozent der Fälle hielt Twitter die gemeldeten Inhalte zurück oder verlangte von den Kontoinhabern, diese teilweise oder ganz zu entfernen.

Anfragen von Regierungen zu Kontoinformationen

(Bild: Twitter)

Seit 2014 dokumentiert Twitter Anfragen zu Nutzerkonteninformationen von Dritten – die nicht von der Regierung stammen – etwa im Rahmen von zivil- oder strafrechtlichen Verfahren. Neben 35 bekannten Ländern kamen diese Anfragen erstmalig auch aus Israel, Argentinien, und der Schweiz. Die meisten nicht von Regierungen stammenden Anfragen kamen mit 89 Prozent aus Japan, Brasilien und den USA.

Nach eigenen Angaben setzt sich Twitter für ein offenes Internet ein, das global und für alle zugänglich ist, auf offenen Standards und auf dem Schutz der Menschenrechte beruht. Transparenz sei unerlässlich, um Unternehmen und Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. "Wir stehen vor noch nie dagewesenen Herausforderungen, da Regierungen auf der ganzen Welt zunehmend versuchen, einzugreifen und Inhalte zu entfernen. Diese Bedrohung der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung ist ein zutiefst beunruhigender Trend, der unsere volle Aufmerksamkeit erfordert", so Sinéad McSweeney, Vizepräsidentin Global Public Policy and Philanthropy bei Twitter.

Zuletzt hatten Aussagen der Bundesinnenministerin Faeser über eine mögliche Abschaltung des Messaging-Dienstes Telegram für Aufsehen gesorgt. Daraufhin meldeten sich unter anderem Rechtsexperten und zahlreiche Journalisten zu Wort. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sieht durch eine Abschaltung oder die Entfernung der Telegram-App aus dem App Store einen Eingriff in die Meinungsfreiheit. Den Kontroversen um Telegram vorangegangen waren zahlreiche Vorfälle, in denen sich Personen in Telegram-Gruppen radikalisiert hatten. Neben teils heftigen Beleidigungen fielen auch Aufrufe zu Mord. Telegram unternimmt dagegen weitgehend nichts, unterwirft sich auch nicht dem NetzDG und erstellt keine Transparenzberichte.

(mack)