U-Space: Ein System für ein europaweites Management von Drohnen

In Deutschland gilt nun die Kennzeichnungspflicht für größere Drohnen und für noch größere ist ein Kenntnisnachweis nötig. In der Schweiz wurde jetzt ein System vorgestellt, das Drohnen ortet und als Teil des gesamten Flugverkehrs organisiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 42 Kommentare lesen
U-Space: Ein System für ein europaweites Management von Drohnen

Endlich einfach fliegen: Für Drohnen gibt es immer mehr Regeln, U-Space könnte das Fliegen aber wieder vereinfachen und gleichzeitig sogar bislang untersagte Anwendungen ermöglichen.

(Bild: U-Space)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Tom Sperlich
Inhaltsverzeichnis

Sie bewegen sich in immer größerer Zahl in den Lüften: die sirrenden mehrmotorigen, unbemannten Flugsysteme (UAS), Drohnen oder auch (Multi-/Quadro-)kopter genannt. 500.000 sollen es in Deutschland schon sein, wobei die Deutsche Flugsicherung (DFS) bis 2020 einen Anstieg auf eine Million prognostiziert. Immer häufiger kommt es daher zu Sichtungen und mehr oder weniger engen Begegnungen im unteren Luftraum, die gefährlich hätten werden können. Um Unfälle sind wir zum Glück noch aber noch herumgekommen.

Den Bedarf für eine strengere Regulierung der UAV (Unmanned Aerial Vehicles) erachten nicht wenige Fachleute deshalb seit längerem als zwingend. Wer am Himmel unterwegs ist, soll sich auch registrieren: Eine Drohnen-Datenbank wird auch von vielen offiziellen Stellen gefordert. Schon beginnen einige Länder, sukzessive klarere Vorschriften und Techniken zum Drohnen-Flugmanagement zu formulieren. Während es beispielsweise in den USA bereits ein sogenanntes Drohnenregister gibt (inzwischen revidiert auf Anmeldungspflicht von UAV im kommerziellen Einsatz), ist in Deutschland oder der Schweiz zwar auch oft die Rede davon, aber noch nichts davon tatsächlich lanciert.

Für Profis aus der Luftverkehrsbranche waren und sind die bisherigen Reglementierungen angesichts des boomenden Drohneneinsatzes nicht mehr adäquat, zumal professionelle Anwendungen mit großen, schwereren Fluggeräten auf dem Vormarsch sind. Die Einsatzmöglichkeiten sind äußerst vielfältig und deswegen ist es kein Wunder, dass immer mehr auf den Markt drängen.

Doch ein paar strengere Vorschriften bescherte die schnelle Entwicklung der lange weitgehend unregulierten Branche nun doch. So ist seit dem 1. Oktober in Deutschland sowohl die Kennzeichnungspflicht für Drohnen als auch der Kenntnisnachweis für das Steuern größerer unbemannter Fluggeräte endgültig in Kraft getreten. Nun muss an UAV ab 250 Gramm eine feuerfeste Plakette mit Namen und Adresse des Besitzers angebracht werden. Das gilt jetzt selbst für Modellflugzeuge auf Modellflugplätzen.

Für unbemannte Flugobjekte ab zwei Kilogramm ist jetzt ein "Drohnen-Führerschein" vonnöten. Dieser Kenntnisnachweis ist bei vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) geprüften "anerkannten Stellen" zu erlangen. 18 bislang existierende Anbieter sollen die gesetzlich geforderte Bescheinigung über die Kenntnisse des Drohnen-Steuernden ausstellen. Der Deutschen Flugsicherung wäre allerdings eine striktere Herangehensweise lieber gewesen. Ihr Chef, Klaus-Dieter Scheurle, plädierte vergangenes Jahr für eine Drohnen-Registrierungspflicht. Und für einen Chip, ohne den ein UAV überhaupt gar nicht erst starten kann – quasi eine Art "Wegfliegsperre".

Bei immer mehr UAVs am Himmel wird das Thema Sicherheit zunehmend wichtig. Denn allein im deutschen Luftraum hat sich die Zahl der Meldungen von Flugzeugpiloten, denen Drohnen begegnet waren, gegenüber 2015 auf 2016 bald verfünffacht. Vergangenes Jahr habe es bereits 64 Sichtungen gegeben, teilte die Flugsicherung mit. Allein 58 davon waren in der Nähe eines Flughafens. In 2015 hatte es erst 14 Vorfälle gegeben, doch in diesem Jahr gab es allein bis zum August schon 60 Meldungen, so eine Sprecherin der DFS gegenüber heise online.

So haben praktisch alle internationalen Flugsicherheitsbehörden, als auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) und neuerdings auch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, die gleiche Forderung wie DFS-Chef Scheurle: "Wir als Flugsicherungen müssen wissen, wer am Himmel unterwegs ist." Das ist auch die Voraussetzung, um UAVs am Ende überhaupt in den Luftverkehr integrieren zu können.

Zu diesem Handling künftigen Drohnenverkehrs gehört aber auch die Integration/Ortbarkeit. In Deutschland wird daher momentan von der DFS und der Deutschen Telekom an einer Lösung gearbeitet, mit der die Fluggeräte per Mobilfunk geortet werden können. Mit einem nachrüstbaren Mobilfunkmodul sollen Drohnen getrackt und ein Kommunikationskanal installiert werden. Der Vorsitzende der DFS-Geschäftsführung Scheurle dazu: "Zum einen lässt sich bei einem Unfall oder Missbrauch schnell nachvollziehen, wer die Drohne gesteuert hat. Damit wird das Verantwortungsbewusstsein der Piloten gestärkt. Zum anderen ermöglichen diese Chipkarten Mehrwertdienste der Flugsicherung, zum Beispiel die Versorgung mit Karteninformationen und anderen wichtigen Daten."

Einen kleinen Schritt weiter ist hierbei die Schweiz. In Genf wurde Mitte September ein Demonstrator gezeigt und damit erstmals in Europa ein Projekt in der Praxis vorgestellt, das sich mit der Integration von Drohnen in das europäische Luftfahrtsystem und sein ATM/ANS (Air Traffic Management/Air Navigation Services) befasst. Es soll dafür ein "U-Space" eingerichtet werden, ein Vorhaben, das die Europäische Kommission ins Leben gerufen hat. U-Space betrifft die unteren 150 Meter des Luftraumes, in dem auf ICT-Basis und automatisierten Funktionen an Bord eines UAS und/oder am Boden, zukünftig ein UAS Traffic Management (UTM) , also ein Luftverkehrs-Managementsystem für unbemannte Fluggeräte eingesetzt werden soll. An vergleichbaren Systemen wird auch in den USA gearbeitet wird, etwa von der NASA im Verein mit der US-Flugaufsichtsbehörde FAA und zahlreichen Partnern aus der Forschung und der Wirtschaft.

Für Europa drängt die EU-Kommission auf ein einheitliches System wobei das Projekt U-Space nicht vor 2019 abgeschlossen sein dürfte. Dies soll unter der Ägide einer gemeinsamen Unternehmung namens SESAR (Single European Sky ATM Research Programme) passieren, welche die Europäische Kommission und Eurocontrol gegründet haben. SESAR befasst sich mit der Entwicklung, Verwaltung und Koordinierung eines neuen europäischen Flugverkehrsmanagements und publizierte im Frühsommer dieses Jahres erste Entwürfe für einen U-Space. Bis 2019 möchte auch die EU-Kommission, dass Drohnen und deren Betreiber registriert und elektronisch identifiziert sowie UAV-Betrieb mittels Geofencing räumlich eingegrenzt werden können. Der U-Space soll dafür und für routinemässige Drohneneinsätze einen Rahmen bieten und eine effiziente Schnittstelle zur bemannten Luftfahrt, zu ATM/ANS-Anbietern und Behörden, heißt es in Projektinfos.

Unbemannten Flugsystemen sollen mit den beabsichtigten neuen Regulierungen und entsprechenden Techniken auch neue Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden, beispielsweise indem "BVLOS"-Flüge ("Beyond Visual Line of Sight", in deutsch etwa: "außerhalb Sichtweite") bewilligt werden könnten. Ohne eine spezielle Bewilligung ist ein Flug ohne Sichtkontrolle den Drohnen-Piloten gegenwärtig ausdrücklich untersagt. Auch könnten UAV mit einer Integration in bestehende ATM-Systeme beziehungsweise Lufträume auch mal zu Einsätzen in normalerweise gesperrten Zonen (etwa rings um Flughäfen) zugelassen werden, da U-Space das Geofencing effizient managen soll. Genau das wurde kürzlich bei der ersten U-Space-Demo in Genf vorgeführt.

U-Space –Drohnentest in der Schweiz (14 Bilder)

Bei der Präsentation wurden mehrere Drohnen geflogen. (Bild: U-Space)

In der Schweiz wird zwar für ferngesteuerte UAV keine Bewilligung benötigt, wenn sie unter 30 Kilogramm wiegen und der Pilot sein Modell jederzeit auf Sicht steuert. Für Flüge im Umkreis von fünf Kilometern rund um einen Flughafen wird allerdings eine Genehmigung von der Schweizer Flugsicherung Skyguide benötigt. Und in einer zusätzlichen Kontrollzone dürfen Drohnen, Copter und Modellflugzeuge nur bis 150 Meter über dem Boden geflogen werden. Aber grundsätzlich ist es noch ein unbürokratisches UAV-Cruising im Schweizer Himmel. Fachleute und Medien berichten aber schon über Pläne, dass künftig bereits Drohnen ab 500 Gramm unter eine geplante elektronische Registrierungspflicht fallen würden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hat dies aber noch nicht abschließend festgelegt.

Doch auch bei den Eidgenossen bleibt das Problem: die Durchsetzung strengerer Vorschriften wäre schwierig, da die meisten Drohnenflüge derzeit nicht angemeldet werden müssen. Wie in anderen Ländern arbeiten zwar auch schweizerische Regierungsstellen daran, doch noch gibt es keine Drohnen-Datenbank. Die Behörden wissen daher nicht, wem ein UAS gehört und können es während des Fluges auch nicht orten. Der Schweizer Regierung hat es aber anscheinend nicht allzu eilig – sie hatte im Frühjahr 2017 angekündigt, eine europäische Lösung abzuwarten. Nun möchten aber verschiedene Interessenten diese via der Schweiz etwas mit anschieben und das Modell eventuell in Gesamteuropa installieren. Genf eignet sich als "Demonstrator-Ort" hervorragend, schließlich liegt ein Teil des dortigen Flughafen-Territoriums auf französischem Staatsgebiet.

Und so demonstrierte also kürzlich in Genf (vor vielen hochrangigen Gästen aus der internationalen Drohnen-Industrie, der Flugbranche und Politikern) die Flugsicherung Skyguide und ihre Konsortiums-Partner AirMap, SitaOnAir, senseFly und PX4 während Live-Flügen mit drei verschiedenen Drohnen, wie diese mittels einer einfachen Online-Registrierung und -Identifizierung bei der Flugsicherung angemeldet werden können. Auch wurden die Integration der Drohnen mit der Flugverkehrskontrolle, die Flugplanung und Luftraumbewilligung sowie Live Tracking/Telemetrie und so genanntes "dynamisches Situationsbewusstsein" demonstriert. Letzteres war in der Genfer Demo etwa der simulierte Einsatz eines Rettungshubschraubers, der die bewilligten Flugpläne der drei UAV (die sich zeitweise alle zum gleichen Zeitpunkt nicht weit voneinander bewegten) plötzlich zu einem früheren Ende brachte als beantragt.

Ansonsten ist die Registrierung und das Beantragen einer Bewilligung so einfach wie ein Einkauf im Onlineshop. Auf einer Website der Flugsicherung muss zunächst ein Konto eröffnet werden. Anschließend müssen die Personalien inklusive Handynummer angegeben werden (welche per SMS aufs Handy verifiziert wird). Danach erfolgt eine Online-Verifizierung der persönlichen Daten (beispielsweise mittels einer amtlich zertifizierten E-ID – hier wurden ausreichende Verfahren noch offen gelassen). Darauf folgen die Eingaben einer je nach Land eventuell notwendigen Lizenz-Nummer für Drohnen-Piloten, und eventuell Hinterlegung von Payment-Infos bei kommerziellen Einsätzen, für die kostenpflichtige Services der Flugsicherung beansprucht werden. Gleich danach erteilt entweder die nationale Luftfahrtsbehörde oder die Flugsicherung (je nachdem, wo das Drohnenregister einmal geführt wird) eine Online-Lizenznummer für den UAV-Steuernden ("Drohnenpiloten-ID").

Jetzt müssen die Daten des für den Flug vorgesehenen UAV angegeben werden (Hersteller mit Seriennummer) sowie die Art der geplanten Aktivität, woraufhin umgehend eine individuelle Drohnen-Registrations-ID erteilt wird. Letztere (plus die Piloten-ID) werden auch für eine spätere weitere E-Registrierung eines Fluges und die Erteilung einer Flugerlaubnis benötigt. Anschließend verlangt das Registrations-Tool noch den Flugplan (mit Ziel, Höhe, Zeit) – dieser kann auch direkt auf der Benutzeroberfläche vieler AirMap-kompatibler Drohnen-Bodenstationen eingegeben werden. Jetzt heißt es, auf die Bestätigung von Skyguide für die IDs (Pilot und UAV), Flugplan und die Telemetrie (die funktionierende Kommunikation zwischen Drohne und Flugsicherung wird bestätigt) warten. In dieser Phase kann auch ein Geofencing seitens der Flugaufsicht ausgelöst werden, so dass ein Drohnenpilot bestimmte Flugpläne nicht ausführen darf (je nach Vorschriften).

Endlich kann es dann los gehen. Drohnenpiloten, als auch die Flugkontrolle können nun in Echtzeit auf ihren jeweiligen, individuellen Displays die Vorgänge im U-Space sehen. Die Flugsicherung sieht auf Basis ihrer gewohnten Radarbilder im ATM-System den normalen Flugverkehr; ein spezialisierter "Drohnen-Lotse" (aktuelle, non-offizielle Bezeichnung von Skyguide) den UAV-Flug im separaten Dashboard des UAS Traffic Management (UTM) und der Drohnenpilot sieht auf seiner Bodenstation seine Flight und Data Management Software. Wie die beiden Systeme ATM und UTM später einmal genau zusammengeführt werden, ist im Moment bestenfalls in einer frühen Konzeptionsphase ersichtlich. Denkbar wäre beispielsweise, dass das UTM-System Radardaten des ATM übernimmt und darstellt, so der Mediensprecher von Skyguide zu heise online.

Klar aber ist – auch wenn U-Space sich noch ganz am Anfang befindet und auch noch nicht in allen Projekttteilen Lösungen vorhanden sind - dass dem europäischen Luftraum und speziell den darin fliegenden UAV-Operators einige Veränderungen bevorstehen. In Genf sagte Ben Marcus, CEO von AirMap – das US-Unternehmen stattet diverse Drohnenhersteller mit ihrer Operating Software aus: "Der U-Space wird Millionen von Drohnen und zahllosen kommerziellen Drohnenherstellern ermöglichen, in den europäischen Himmel hochzusteigen". Liegt dort das neue Eldorado?

Himmlische Sphären waren und sind ja für sehr viele Menschen vielversprechend. Im Drohnenhimmel aber geht es um Handfestes: laut Schätzungen der EU-Kommission um einen globalen Markt für Drohnen von über 10 Milliarden Euro jährlich bis 2035, der bis 2050 auf über 15 Milliarden Euro jährlich anwachsen soll. U-Space soll helfen, den Weg für die wachsende Drohnenwirtschaft zu ebnen. (mho)