UN bringt sich als globale KI-Governance-Plattform ins Spiel

Die UN will sich als Plattform für KI-Governance aufstellen. Beim Zunkunftsgipfel legte sie den Bericht einer High-Level-Arbeitsgruppe vor.

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Generiertes Satellitenbild der Erde, mit teilen in der Nacht

(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Ein zentrales KI-Sekretariat, ein stehender wissenschaftlicher Beirat für Künstliche Intelligenz, zwei jährliche Governance-Dialoge und weitere Prozesse rund um das aktuelle Aufregerthema – das sind die Ideen einer vom UN-Generalsekretär António Guterres eingesetzten High Level Arbeitsgruppe. Beim bevorstehenden UN-Zukunftsgipfel will sich die UN grünes Licht von den Mitgliedsstaaten für eine neue Rolle geben lassen. Donnerstagnacht dauerten die Verhandlungen über den Global Digital Compact (GDC), der die KI-Empfehlungen einschließen soll, allerdings noch an.

Für UN-Verhältnisse in Lichtgeschwindigkeit hat die Arbeitsgruppe den vom UN-Generalsekretär erhofften Aufschlag gemacht. Rund zehn Monate hatte das von Guterres eingesetzte 39-köpfige Panel Zeit, in dem KI-Unternehmensvertreter von OpenAI, Microsoft und Google beziehungsweise Alphabet, mit KI-Experten des mexikanischen Verfassungsgerichts, des Vatikans und namhafter Unis, sowie vielen Regierungsvertretern saßen.

Die Experten kamen aus 33 Ländern. Ein Versuch der UN, dem Problem der fehlenden Repräsentanz von Ländern des Globalen Südens in bestehenden KI-Governance-Ansätzen entgegenzuwirken.

118 der 194 UN-Mitgliedsländer sind bislang an keinem der in den Industrienationen und KI-Vorreiterstaaten entstandenen Regelungsinstrumente beteiligt. Auch dieses Repräsentanz-Problem will die UN mit ihrer neuen Rolle lösen. Immerhin, heißt es im Bericht: Sowohl der Stoff, aus dem KI gemacht wird, von seltenen Erden bis Daten sowie der Einsatz von KI sind global.

Eine Grafik zu KI-Regulierungen.

(Bild: UN)

Rechtzeitig zum Zukunftsgipfel legten sie ihren Bericht mit insgesamt sieben institutionellen Empfehlungen vor.

Ein KI-Rat nach dem Modell des Klimarats IPCC soll künftig Jahresberichte zu technologischen Entwicklungen, Forschungsergebnissen und -defiziten vorlegen. Das neue Gremium soll auch vierteljährliche Berichte zu Themen im Bereich von KI-Anwendungen zur Erreichung der UN-Entwicklungsziele beleuchten. Neu auftretende Risiken sollen zusätzlich in Adhoc-Berichten aufgearbeitet werden.

Man will agil bleiben und eine wissenschaftliche Grundlage für etwaige Governance-Entscheidungen treffen, sagte bei der Pressekonferenz Carme Artigas, ehemalige spanische Staatsministerin für Digitalisierung und KI am Donnerstagabend in New York. Es gehe auch nicht darum, andere Institutionen oder nationale Regulierungsbehörden zu ersetzen, sondern deren Praxis einander abzugleichen und anzunähern.

Der KI-Rat hat es direkt in den Resolutionsentwurf für den Global Digital Compact (GDC), die neue Digitalcharta der Vereinten Nationen, übernommen. Über den sollen die Mitgliedsstaaten beim Zukunftsgipfel entscheiden. Die Mitglieder, so der GDC-Entwurf, sollen von Mitgliedsstaaten in Konsultation mit Stakeholdern benannt werden.

Auch zweimal jährlich stattfindende KI-Governance-Dialoge zum Austausch von Best Practice und Missbrauchsszenarien sowie Angriffen hat der GDC aufgegriffen. Ebenso wie die Idee eines Fonds, der mit staatlichen und privaten Mitteln aufgesetzt werden soll, um die Arbeiten in der UN und den Aufbau von Wissen und Kapazitäten weltweit zu fördern.

Die vier anderen, im Expertenbericht ausgesprochenen Empfehlungen, waren im zuletzt veröffentlichten GDC-Entwurf erst einmal nicht explizit drin.

Ein direkt dem UN-Generalsekretär unterstelltes KI-Büro etwa geht manchen Mitgliedsstaaten wohl doch zu weit. Die Mitglieder des High-Level-Panels sahen es stattdessen als zentrale Schaltstelle zur Unterstützung der verschiedenen Initiativen, von KI-Rat bis Capacity Building. Das Netzwerk Capacity Building, das Starthilfe für KI-Newcomer- und Nachzügler-Länder geben soll, und die Idee, einen Data Governance Framework für KI zu entwickeln, fehlen. Allerdings ist dem Thema Datenaustausch und Datenströme ein eigenes Kapitel im GDC gewidmet.

Das Expertenpanel konnte sich mehr bei der technischen Standardisierung vorstellen. Von der UN als eine Art Clearinghaus für KI-Spezifikationen (die meisten Standards hat bislang die ITU entworfen) steht in der zuletzt veröffentlichten GDC-Version nichts. Vielmehr werden die KI-Organisationen selbst zu mehr Koordination aufgefordert.

Die ursprüngliche Idee, der UN eine ausgewachsene, eigene KI-Behörde im Stil der UN-Atomaufsichtsbehörde zu geben, ist erst einmal vom Tisch. Damit hatten die UN selbst geliebäugelt. "Fürs erste" habe das Panel entschieden, brauche die UN keine solche Behörde, sagte der indische Diplomat Amandeep Singh Gill, Tech Envoy des UN-Generalsekretärs, bei der Pressekonferenz.

Mit den neuen KI-Initiativen, die Anfang nächster Woche beschlossen werden sollen, werde aber hoffentlich der Grundstein für die Rolle der UN im Bereich KI gelegt. "In der Zukunft, wenn die mit KI verbundenen Risiken bestimmte Funktionen notwendig machen, die von einer solchen Institution übernommen werden können, kann das überdacht werden", sagt Gill.

(emw)