US-Bürgerrechtler erklären Kampagne gegen unautorisiertes Filesharing für gescheitert

Die Electronic Frontier Foundation unterstellt der US-Musikindustrie fünf Jahre nach den ersten Klagen gegen Tauschbörsen-Nutzer einen Glaubwürdigkeitsverlust und drängt auf Alternativen wie eine "Musikflatrate".

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Die Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstellt der US-Musikindustrie fünf Jahre nach den ersten Klagen gegen Tauschbörsen-Nutzer einen Glaubwürdigkeitsverlust. Die Kampagne der Recording Industry Association of America (RIAA) gegen "individuelle amerikanische Musikfans ist gescheitert", schreibt die US-Bürgerrechtsorganisation in dem Bericht "RIAA v. The People: Five Years Later". So hätten die rechtlichen Bemühungen gegen illegale Filesharing-Aktivitäten nicht nur keinen Rückgang von Downloads über Peer-to-Peer-Netze (P2P) bewirkt oder Nutzer nicht davon überzeugt, dass Filesharing einem Ladendiebstahl gleichkomme. Vielmehr hätten die Aktivitäten auch keinen Pfennig in die Taschen der Künstler befördert.

Laut der EFF hat die RIAA inzwischen rund 30.000 US-Bürger wegen illegaler P2P-Nutzung verklagt. Dies habe zwar zu vielen Vergleichsabschlüssen geführt, welche die Betroffenen tausende von US-Dollar gekostet und manche Existenz nahe an den Ruin gebracht habe. Bei Gerichten, Forschern und zivilrechtlichen Organisationen wachse aber die Skepsis hinsichtlich der Ermittlungstaktiken der RIAA und ihren "rechtlichen Theorien". So hätten Richter etwa wiederholt die Ansicht der Lobbygruppe zurückgewiesen, dass schon das Hinzufügen eines Musikstück in einen fürs Filesharing freigegebenen Ordner auf dem eigenen Rechner auch ohne eine durch Dritte erfolgende Kopie eine Urheberrechtsverletzung darstelle. Erst in der vergangenen Woche habe ein Bundesrichter zudem wegen Verfahrensfehlern eine Neuverhandlung des Falls Jammie Thomas angeordnet. Die 31-jährige US-Amerikanerin war zuvor in einem Musterprozess der RIAA zu einer Geldstrafe von 222.000 US-Dollar verdonnert worden.

Wenn die RIAA weiter jeden Monat hunderte Nutzer anzeigen und hohe Vergleichs- oder gar Schadensersatzgebühren einsammeln wolle, dürfe sie keine Abkürzungen über den umstrittenen "Making Available"-Ansatz nehmen, betont die EFF-Anwältin Corynne McSherry. Es reiche nicht aus zu behaupten, dass das Gesetz potenziell gebrochen worden sein könnte und die Hand aufzuhalten. Vielmehr müsse die Musikindustrie in jedem einzelnen Fall nachweisen, dass tatsächlich ein Copyright-Verstoß erfolgt sei.

P2P-Netze erfreuen sich nach Ansicht der Bürgerrechtler weiter höchster Beliebtheit. Die Marktforscher von Big Champagne etwa hätten herausgefunden, dass die durchschnittliche gleichzeitige Zahl der P2P-Nutzer 2007 auf 9,35 Millionen angewachsen sei. Laut den Kollegen der NPD Group sei die Filesharer-Gruppe im selben Jahr zwar gleich groß geblieben, habe aber mehr Dateien untereinander ausgetauscht. Autorisierte Musikdienste wie Apples iTunes fristeten dagegen nach wie vor ein Schattendasein. Darüber hinaus sei der Austausch gebrannter CDs oder ganzer Festplatteninhalte im Freundeskreis populär geworden, während technisch gewandte Nutzer auf Anonymisierungsdienste oder verschlüsselte P2P-Netze im "Darknet" setzen würden.

Als Alternative zu dem Kreuzzug der Musikindustrie gegen Musikliebhaber bringt die EFF erneut eine Pauschallizenz für die Freigabe von Filesharing auch geschützter Werke ins Spiel. Schon die im Rahmen einer solchen "Musik-" oder "Content-Flatrate" veranschlagte Hand voll Dollar pro Nutzer im Monat könne bei 60 Millionen US-Bürgern, die bereits Filesharing-Software eingesetzt hätten, rund drei Milliarden US-Dollar jährlich zusammenbringen. Dies sei eine erkleckliche Summe, da die Gesamteinnahmen der US-Musikwirtschaft gegenwärtig auf 9 Milliarden geschätzt würden und keine Ausgaben etwa für den Vertrieb einzukalkulieren seien. Verwertungsgesellschaften könnten das über Provider mitberechnete Geld bemessen an der Popularität ausgetauschter Songs an die Künstler verteilen. (Stefan Krempl) / (anw)