US-Handelsaufsicht verklagt Facebook wegen Kauf Instagrams und WhatsApps

Die FTC wirft Facebook wettbewerbswidriges Verhalten vor. Interne E-Mails Mark Zuckerbergs und seiner Mitarbeiter sind ein gefundenes Fressen für die Kläger.

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Facebook-Konzern erreicht 2 Milliarden User und höchsten Quartalsgewinn

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Die US-Handelsbehörde FTC erhebt Wettbewerbsklage gegen Facebook. Die Behörde wirft dem Konzern vor, jahrelang in rechtswidriger Weise den Wettbewerb behindert zu haben. Facebook habe Instagram und WhatsApp gekauft, weil sie Facebooks Vorherrschaft zu gefährden drohten. Außerdem habe Facebook seine Vormachtstellung dazu missbraucht, andere Online-Dienste einzuschränken. Facebook widerspricht.

Die FTC (Federal Trade Commission) hat die Klage mit drei zu zwei Stimmen beschlossen. Für die Klage stimmten die beiden Demokraten sowie der Republikanische Vorsitzende, dagegen die beiden anderen Republikaner. Unterstützung erfährt die FTC von den Justizministern fast alle US-Staaten, sowie den Territorien D.C. und Guam. Von den US-Staaten fehlen nur Alabama, Georgia, Südkarolinien und Süddakota.

Die Klage stellt Facebook als Monopol im US-Markt für persönliche soziale Netzwerke dar. Dieses Monopol erhalte sich Facebook nicht durch bessere Leistungen im Wettbewerb, sondern durch rechtswidrige Übernahmen sowie Aufstellung eigener Regeln. Die Klageschrift stützt sich vor allem auf interne E-Mails und Mitteilungen Mark Zuckerbergs, anderer Facebook-Manager sowie einfacher Mitarbeiter.

Mehrere Zitate legen nahe, dass Facebook Instagram und WhatsApp als existenzielle Bedrohungen wahrgenommen und deswegen gekauft hat. Mitgespielt haben soll auch die Angst, Google, Twitter oder Apple könnten zugreifen. Eigene Versuche mit vergleichbaren Angeboten in Konkurrenz zu treten waren sogar nach interner Einschätzung nicht konkurrenzfähig. "Es ist besser zu kaufen als zu konkurrieren", zitiert die FTC aus einem E-Mail Zuckerbergs aus dem Jahr 2008.

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Facebook sei gegenüber Instagram "weit hinten nach sowohl bei den Funktionen als auch bei der Marke, und wie sich der Kern der Anwendungsfälle Facebooks in einer mobilen Welt entwickeln wird", stellte Zuckerberg im Februar 2012 fest. Das sei "wirklich furchteinflößend", und Facebook solle überlegen "viel Geld" für Instagram zu zahlen. Bereits im April des Jahres überraschte Facebook mit dem Coup der Instagram-Übernahme für eine Milliarde Dollar.

Im Unterschied zu asiatischen Messaging-Apps hatte sich WhatsApp weltweit Geltung erarbeitet. Zuckerberg fürchtete im April 2012 offenbar, WhatsApp könne seine Position dazu nutzen, selbst ein soziales Netzwerk zu eröffnen, fokussiert auf mobile Nutzung. Facebook soll praktisch jeden Preis zu zahlen bereit gewesen sein.

19 Milliarden Dollar gingen im Februar 2014 über den Ladentisch, als Facebook WhatsApp kaufte. Bei Facebook wurde gefeiert. WhatsApp sei "wahrscheinlich die einzige Firma, die nur auf Handys zum nächsten Facebook heranwachsen hätte können", formulierte ein Facebook-Mitarbeiter damals.

Zudem soll Facebook vergeblich versucht haben, Twitter und Snapchat zu kaufen. Wiederholte Anläufe, ein weiteres Unternehmen zu erwerben, waren ebenfalls vergeblich. Der Name dieses Unternehmens ist in der veröffentlichen Version der Klage geschwärzt.

Die zweite Vorwurfsgruppe der FTC bezieht sich auf die Facebook Platform für Apps Dritter sowie bestimmte wichtige Programmierschnittstellen (API). Praktisch zeitgleich mit der Gründung Google+ machte Facebook neue Einschränkungen: Fortan waren Developer von der Facebook Platform und der API-Nutzung ausgeschlossen, wenn ihre Dienst Facebook Konkurrenz machte oder Facebooks Konkurrenten bewarb.

Die Beschränkungen wurden immer strikter. Ab September 2012 war es Apps sogar verboten, auf andere soziale Netze zu verlinken. Anfang 2013 stoppte Facebook den Datenexport zu Angeboten mit Funktionen, die wesentlichen Facebook-Funktionen ähnelten. Außerdem mussten Apps, die Daten von Facebook holen wollten, auch ihre Daten Facebook offenlegen.

Das sorgte intern für Unruhe. "Also werden wir Apps buchstäblich in Gruppen einteilen je nachdem wie viel Angst wie vor ihnen haben, und ihnen unterschiedliche API (öffnen)?", fragte ein Facebook-Mitarbeiter. Andere bezeichneten das Vorgehen als "unethisch" oder stellten fest, dass sie sich angesichts der neuen Einschränkungen "als schlechter Mensch" fühlten."

Ab Mai 2014 durften App nur noch auf die Daten anderer User zugreifen, die die selbe App installiert hatten. Das mag aus Datenschutzgründen gerechtfertigt gewesen sein, hatte aber wohl anderen Gründe: "Besorgnis: Die App könnte Facebook für eigenes Wachstum nutzen und dann ihre Funktionen austauschen um ein direkter Konkurrent zu werden", zitiert die FTC aus einem Facebook-Dokument. Erst als ein britischer Abgeordneter daran ging, Dokumente über Facebooks Vorgehen zu veröffentlichen, hob Facebook das explizite Wettbewerbs-Verbot im Dezember 2018 auf.

Die FTC begehrt vom US-Bundesbezirksgericht für den Hauptstadtbezirk District of Columbia die Feststellung, dass Facebooks Verhalten rechtswidrig war, sowie entsprechende Unterlassungsverfügungen. Außerdem soll Facebook Instagram und/oder WhatsApp verkaufen müssen und womöglich potenzielle Mitbewerber unterstützen müssen. Zudem soll Facebook verpflichtet werden, weitere Übernahmen vorab genehmigen zu lassen.

Genau hier dürfte Facebooks stärkstes Verteidigungsargument liegen: Die FTC hatte die Instagram-Übernahme monatelang geprüft und schließlich einstimmig beschlossen, dass Facebook Instagram schlucken darf. Zwei Jahre später gaben sowohl die EU-Kommission als auch der US-Regulierer Facebook grünes Licht für die WhatsApp-Übernahme – wenngleich unter Auflagen.

In dem EU-Verfahren soll Facebook irreführende Angaben gemacht haben, weshalb die EU-Kommission 2017 110 Millionen Euro Strafe von Facebook verlangte – deutlich weniger als ein Prozent des Kaufpreises, den Facebook für WhatsApp gezahlt hatte.

"Regulierer haben diese Übernahmen korrekterweise zugelassen, weil sie den Wettbewerb nicht bedroht haben", kritisiert Facebooks leitende Anwältin Jennifer Newstead die FTC-Klage,"Keine amerikanische Wettbewerbsbehörde hat jemals eine Klage wie diese erhoben." Die FTC wolle ihre eigenen Entscheidungen revidieren, was die Investitionssicherheit gefährde. Erst Facebook habe Instagram und WhatsApp in den USA groß gemacht. Die Beschränkungen der Facebook Platform seien branchenüblich.

Die Klage heißt Federal Trade Commission v. Facebook und ist am US-Bundesbezirksgericht für den District of Columbia unter dem Az. 1:20-cv-03590 anhängig.

(ds)