US-Kongress berät über Reform der Online-Musikrechte

Ähnlich wie die EU-Kommission will das US-Repräsentantenhaus die Lizenzierung digitaler Werke für den Internetvertrieb vereinfachen, doch Bürgerrechtler fürchten Einschnitte in die Kopierfreiheiten der Nutzer.

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Ähnlich wie die EU-Kommission will auch der US-Kongress die Lizenzierung von Musikstücken für den Internetvertrieb vereinfachen. Das US-Repräsentantenhaus wird dazu am morgigen Donnerstag in einem für geistige Eigentumsrechte zuständigen Unterausschuss einen Gesetzesentwurf debattieren, mit dem eine Pauschallizenz für die Reproduktion und Verbreitung "nichtdramatischer Musikwerke" geschaffen werden soll. Für die Betreiber von Online-Musikplattformen und Streaming-Diensten wie Apple, AOL, Real Networks oder Yahoo würde es damit deutlich leichter, die Online-Rechte für Songs zu erwerben. Bürgerrechtler wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) schlagen allerdings Alarm: Sie fürchten Einschnitte in die Kopierfreiheiten der Verbraucher, da ihrer Ansicht nach erstmals auch Zwischenkopien auf den Rechnern der Nutzer lizenzpflichtig würden.

Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus wollen mit ihrem Vorschlag einer Anregung des US Copyright Office folgen. Die Behörde hat moniert, dass der Prozess der Rechteklärung für die Online-Distribution im Musikgeschäft heute einem juristischen Minenfeld gleichkomme. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf eine "sehr komplexe Architektur, die sich zum Teil auf Beziehungen, aufgeteilte Rechte, Nebenvereinbarungen und historische Altertümlichkeiten stützt". Zur Durchschneidung des gordischen Knäuels bringt das Copyright-Amt das Hilfsmittel der Zwangslizenzierung im Rahmen einer Reform des entsprechenden Paragraphen 115 im US-amerikanischen Urheber- und Verwertergesetz ins Spiel.

Der Vorschlag des Copyright Office für den so genannten Section 115 Reform Act of 2006 ("SIRA") sieht konkret vor, dass die Online-Musikrechte künftig von einem speziellen "allgemeinen Agenten" kollektiv verwaltet und vergeben werden. Als Zwischeninstanz zu den Online-Händlern sind weitere Unteragenturen vorgesehen. Letztlich solle die kollektive Rechtevergabe somit ähnlich ablaufen wie bei herkömmlichen Verwertungsgesellschaften, denen das Copyright-Amt deutlich weniger skeptisch gegenübersteht als die EU-Kommission. Bislang dürfen die drei einschlägigen US-Organisationen – ASCAP, BMI und SESAC – aber nur die Rechte an öffentlichen Darbietungen wie Konzerten und davon erstellten Mitschnitten pauschal verwalten. Streaming-Anbieter oder Provider, bei denen Zwischenkopien von Stücken anfallen, wollte das Copyright Office vom Abführen einer Vergütung für die Musikrechte freigestellt oder generell aus der Regelung herausgehalten wissen.

Der konkrete erste Gesetzesentwurf (PDF-Datei) greift nun den Vorschlag mit der Pauschallizenzierung für legale Musikplattformen im Netz auf. Die Lizenz soll sich aber just auch auf "beiläufig anfallende Vervielfältigungen", also etwa "in einem Cache, Netzwerk oder Arbeitsspeicher" vorgenommene Reproduktionen beziehen. Bislang werden derlei Zwischenkopien, wie sie etwa bei der Distribution auch bei Providern anfallen, sowohl im US-Copyright als auch in der europäischen Urheberrechtsrichtlinie als nicht verwertungsrelevant betrachtet. Sie bleiben damit auch von jeglichen Lizenzverpflichtungen unberührt.

Die EFF beklagt daher die "gefährliche" sprachliche Fassung des Entwurfs, die einen nicht minder gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte. Die "Copyright-Industrien" könnten damit nämlich den Weg bereiten für die künftige Bekämpfung digitaler Technologien, die mit Zwischenkopien arbeiten. "Denken Sie nur an all die beiläufig anfallenden Vervielfältigungen, die auf ihren Computer heute schon herumliegen – haben Sie etwa eine Lizenz für jede Kopie im Cache ihres Browsers?", fragt die Bürgerrechtsorganisation rhetorisch, um auf das drohende Innovationshemmnis aufmerksam zu machen.

Die EFF fordert daher, dass Kopien in Zwischenspeichern weiter vom Copyright komplett ausgenommen oder zumindest unter die "Fair Use"-Rechte der Nutzer fallen sollten. Mit ihrer Kritik an dem Gesetzesentwurf befinden sich die Bürgerrechtler ausnahmsweise sogar in einem Boot mit der Lobby der US-Musikindustrie, der Recording Industry Association of America (RIAA). Diese stellt sich allerdings aus ganz andren Gründen gegen das Vorhaben: Die Labels erwarten durch die Zwangslizenz eine finanzielle Schlechterstellung als bei den jetzigen Einzelverhandlungen mit Online-Plattformen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)