US-Kongress sucht Wege gegen Terroristen-Anwerbung übers Netz

Der US-Senat berät über einen Gesetzesentwurf, mit dem die gewalttätige Radikalisierung potenzieller Attentäter in den USA verhindert werden soll. Bürgerrechtler fürchten um die freie Meinungsäußerung im Internet.

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Der US-Senat berät derzeit über einen Gesetzesentwurf, mit dem die gewalttätige Radikalisierung potenzieller Attentäter in den USA verhindert werden soll. Gemäß dem Vorstoß der zu den Demokraten gehörenden Abgeordneten Jane Harman aus Kalifornien, den das Repräsentantenhaus bereits gebilligt hat, soll eine nationale Kommission Wege gegen den "hausgemachten Terrorismus" finden. In den Fokus genommen hat der Entwurf für einen Violent Radicalization and Homegrown Terrorism Prevention Act dabei auch das Internet. Dieses habe die Verbreitung radikaler Ideologien gefördert, heißt es in dem Papier, indem es US-Bürgern Zugang zu "breiten und unaufhörlichen Strömen Terror-bezogener Propaganda" eröffnet habe.

Die geplante Bundeskommission zur Stärkung der inneren Sicherheit soll laut dem Vorhaben US-Amerikaner mit "extremistischen Glaubenssystemen" genauso genauer unter die Lupe nehmen wie solche, die zu Ideologie-basierter Gewalttätigkeit aufrufen. Diese Bemühungen will sich die Abgeordnetenkammer 22 Millionen US-Dollar kosten lassen. Der Ausschuss für Heimatsicherheit des Repräsentantenhauses führte im Rahmen der Beratung weiterer Maßnahmen gegen die Aufstachelung zu Terrorismus im Internet zudem Anfang November eine Anhörung unter dem Titel "Die Nutzung des Web als Waffe" durch. In diesem Rahmen warnten Sachverständige, dass das Netz "in vielen Formen religiöse Extremisten begünstigt". Jeder könne sich dort als eine Art Autoritätsfigur aufspielen.

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union) hat auch nach einer Abschwächung des Entwurfs nach wie vor ernsthafte Bedenken gegen den Gesetzesvorstoß. "Die Strafverfolgung sollte sich auf Handlungen, nicht auf Gedanken fokussieren", warnt die Washingtoner Rechtsexpertin der Interessensgemeinschaft, Caroline Fredrickson. Das Rahmenwerk würde unvermeidlich zu Einschränkungen der freien Meinungsäußerung oder des Glaubens führen, die mit der US-Verfassung nicht vereinbar wären. Es sei absehbar, dass die vorgeschlagene Kommission bestimmte rassische, ethnische oder religiöse Gruppen stärker ins Visier nehmen und entsprechende spezielle Datenabgleiche empfehlen würde. Dies sei aber kontraproduktiv und würde die Radikalisierung nur verschlimmern. Die Ausrichtung auf das Internet sei zudem generell problematisch, da diese nur zu Zensurvorstößen führen dürfte.

Auch Blogger machen gegen das Vorhaben mobil. Philip Giraldi brachte in der Huffington Post seine Sorge zum Ausdruck, dass mit dem Gesetz unter anderem Menschenrechtler, Friedensdemonstranten oder Vertreter der Polygamie als Terroristen abgestempelt werden könnten. Dass es um das Abstellen sämtlicher "radikaler" Bewegungen gehe und die Freiheitsrechte ungebührlich eingeschränkt werden könnten, fürchtet etwa auch das alternative Nachrichtenzentrum The Indypendent.

US-Heimatschutzminister Michael Chertoff schlug im vergangenen Jahr Alarm, dass sich US-Bürger über das Internet radikalisieren und sich selbst zu Terroristen ausbilden könnten. Das Netz sei daher die nächste große Bedrohung für die USA. Chertoffs Kollege hierzulande, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, bezeichnete die Informationsgesellschaft jüngst pauschal "auch als Basis des Verbrechens". Zuvor hatte der CDU-Politiker das Internet als "Fernuniversität und Trainingscamp" für Terroristen deklariert.

Auf EU-Ebene wollte Justizkommissar Franco Frattini jüngst im Einklang mit Schäuble Provider etwa zum Sperren von Bombenbau-Anleitungen im Netz verpflichten. In dem letztlich vorgelegten neuen Aktionsplan ist aber nicht mehr davon die Rede. Dagegen soll nun der "öffentliche Aufruf zum Begehen einer terroristischen Straftat" kriminalisiert werden. (Stefan Krempl) / (pmz)