US-Patente auch auf Filme und Drehbücher?

Der Patentexperte Greg Aharonian sieht es an der Zeit, dass sich die Kulturwirtschaft tatsächlich als Industrie versteht und daher gewerbliche Schutzrechte auf Basis des weit gestrickten US-Patentrechts zugeteilt bekommt.

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Der Patentexperte Greg Aharonian sieht es an der Zeit, dass sich die Kulturwirtschaft tatsächlich als Industrie versteht und daher gewerbliche Schutzrechte etwa auf Filme oder Drehbücher zugeteilt bekommt. Das weit gestrickte US-Patentrecht sieht der Herausgeber des Internet Patent News Service dabei keineswegs als Hindernis für die Vergabe entsprechender staatlicher Monopolansprüche. Vielmehr hat der leidenschaftliche Jäger "fauler" Patentansprüche in der US-amerikanischen Patentrechtsprechung und beim US-Patentamt Tendenzen ausgemacht, die seiner Ansicht nach den Weg zu einem gewerblichen Rechtsschutz für neuartige Fertigungsideen im Unterhaltungssektor öffnen.

Sein Plädoyer für eine weite Auslegung des US-Patentrechts und die Einbeziehung von künstlerischen Produktionsformen begründet Aharonian unter anderem mit dem Reifegrad des industriellen Fertigungsprozesses etwa in Hollywood. Für ihn ist es nahe liegend, dass das darin bereits eingeschlossene Wissen strukturiert und detailliert in Form eben von Patentansprüchen dargelegt werden sollte. Damit würde der Öffentlichkeit aufgezeigt, "wie sich bessere Kunst und Unterhaltung schaffen lassen", schreibt der Fachmann in der Veröffentlichung seines Vortrags (PDF-Datei) auf der unlängst zu Ende gegangenen Computergrafikmesse Siggraph in San Diego. Auf diese Weise könne der hoch entwickelten Stand der künstlerischen Produktionstechnik dann auch in die Unterhaltungselektronik einfließen.

Den heutigen Herstellungsprozess von Kunst und Unterhaltung bezeichnet Aharonian in seinem Plädoyer für die deutliche Ausweitung des materiellen Patentrechts über die an sich schon heftig umstrittenen Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes für Geschäftsmethoden und Softwarepatente in den USA hinaus als undurchsichtige "Alchemie". Er moniert, dass den entsprechenden mehr oder weniger kreativen Zauberern der Bilder, Töne und Worte der Urheberrechtsschutz gleichsam hinterher geworfen werde, ohne dass diese ihre Kunst lehren, beschreiben oder strukturieren müssten.

Für Aharonian, dessen Vortrag in Fachblogs bereits für Aufsehen sorgt, ist der Fall jedenfalls klar: Kunst ist für ihn allgemein ein Gebiet für den Patentschutz, die Bahn brechenden Entwicklungen in diese Richtung verspricht er sich aber zunächst vor allem von Erfindungen in Drehbüchern. Er verweist dabei auf die viel zitierte "State Street Bank"-Entscheidung von 1998, die der für Berufungsklagen auch in Patentstreitigkeiten zuständigen US-Gerichts, des Federal Circuit Court of Appeals fällte. Demnach können in den USA etwa auch Geschäftsmethoden patentiert werden, solange sie "konkret, fassbar und nützlich" sind. Dies kann laut Aharonian auf Drehbücher, die er letztlich mit Algorithmen und Datenstrukturen vergleicht, durchaus zutreffen. Filme wiederum betrachtet der Experte in einem zweiten Schritt als "reproduzierbare Ausfertigungen von Drehbüchern", sodass er auch ihnen den Patentschutz nicht absprechen mag.

Die allgemeinen Kriterien für einen gewerblichen Rechtsschutz nach dem US-Patentgesetz, wonach eine Idee neu sein und eine detaillierte Beschreibung enthalten muss sowie nicht offensichtlich sein darf, sieht Aharonian ebenfalls nicht als Ausschlussgründe an. So gebe es bereits umfangreiche Webseiten wie die Internet Movie Database, in denen quasi der "Stand der Technik" recherchierbar sei. Dass viele Filme immer wieder die ewig gleichen Liebes- oder Verschwörungsthematiken nur neu aufkochen, muss sich laut dem Experten auch nicht zwingend mit der vom US Supreme Court gerade gestärkten Offensichtlichkeitsregel beißen. Wenn Sun Microsystems ein Patent auf eine Javascript-Übersetzungsmaschine erhalte, obwohl es bereits genügend vergleichbare Varianten für andere Programmiersprachen gebe, könne auch die Unterform "Patentanwalt verliebt sich in italienisches Supermodel" als schutzwürdig gegenüber einer allgemeinen "Boy meets Girl"-Liebesgeschichte aufgefasst werden.

Die Grundfesten einer entsprechenden Gesetzesauslegung sind für den Fachmann unter anderem bereits mit dem Walt Disney zugesprochenen US-Patent auf die "Kunst der Animation" aus dem Jahr 1940 mit der Nummer 2,201,689 oder dem Schutzanspruch von Apple auf die "Einbettung eines Films in einem Film" unter der Nummer 7,102,644 gelegt. Steven Spielberg und sein Dreamworks-Studio würden zudem aktuell Patente auf das Anbringen von Audiodateien in die Zeitschienen von Filmen beziehungsweise auf Animationsprozess begehren. Im Auge zu behalten seien zudem anhängige Ansprüche auf einen "Prozess zum Ausfertigen einer Geschichte anhand eines einzigartigen Handlungsstranges", einer "Geschäftsmethode zum Schutz von Witzen" oder die "Ausbildung von Handelsmitarbeitern auf der Basis von Storylines".

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)