US-Regierung plant "Bill of Rights" zum Datenschutz im Internet
US-Staatssekretär Lawrence Strickling appellierte an den Kongress, ein Rahmenwerk zur Sicherung der Privatsphäre der Online-Nutzer zu schaffen. Die massenhafte Sammlung personenbezogener Informationen im Netz verunsichere viele Verbraucher.
Die US-Regierung will den Datenschutz im Internet deutlich verbessern. Lawrence Strickling, Staatssekretär im US-Wirtschaftsministerium, appellierte am gestrigen Mittwoch an den Kongress, ein Rahmenwerk zur Sicherung der Privatsphäre der Online-Nutzer zu schaffen. Der Berater des Weißen Hauses rief in einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Senats nach einer "Bill of Rights" für den Datenschutz der Verbraucher im Netz. Es seien quasi verfassungsmäßig verbriefte Rechte nötig, da die "massenhafte Sammlung, Auswertung und Speicherung personenbezogener Informationen" durch Online-Anbieter bei Netzbürgern ein "wachsendes Unwohlsein" auslösten. Vielen sei nicht klar, wie und in welchem Ausmaß Daten über ihre Aktivitäten und Transaktionen im Internet zusammengetragen und gespeichert würden.
Der Vorsitzende des Ausschusses, John Rockefeller von den Demokraten, drängte ebenfalls darauf, dass der Gesetzgeber rasch tätigt wird. Der Senator begrüßte zwar, dass sich einige Online-Firmen um den Datenschutz ihrer Kunden bemühten. Es finde aber ein "Krieg um die Privatheit" im Netz statt, den die Verbraucher ohne Hilfe des Staates verlören. Die Selbstregulierung habe größtenteils versagt, daher müsse der Kongress tätig werden.
John Kerry, der frühere Präsidentschaftskandidat der Demokraten, erklärte, er bereite eine Gesetzesinitiative vor. Es sei nicht mehr hinnehmbar, dass die Sammler personenbezogener Informationen Amerikanern ihren Grad der Privatsphäre vorschrieben, sobald diese im Internet einkauften. Die demokratische Senatorin Claire McCaskill gab aber zu bedenken, dass neue Datenschutzvorschriften den Online-Handel und die Werbung im Netz behindern könnten. Die Auswirkungen auf die "brummende Internetwirtschaft" müssten erst untersucht und Leitlinien etwa für die Unterscheidung zwischen gewünschten und unerwünschtem Online-Marketing abgesteckt werden. Einzelheiten eines möglichen Gesetzentwurfs spielten bei der Expertenbefragung noch keine große Rolle.
Jon Leibowitz, Chef der Federal Trade Commission (FTC), brachte die im Dezember vorgestellten Empfehlungen seiner Behörde ins Spiel. Die US-Handelsaufsicht hatte damals unter anderem vorgeschlagen, den Datenschutz schon bei der Planung und Entwicklung von Produkten und Online-Diensten im Einklang mit dem Ansatz "Privacy by Design" stärker zu berücksichtigen. Die FTC plädiert zudem dafür, eine virtuelle Robinson-Liste in Form eines "Do Not Track"-Mechanismus einzuführen. Damit kann sich ein Nutzer über das Web-Protokoll HTTP dagegen aussprechen, dass seine Klicks und Online-Bewegungspfade ausgewertet und eine solche Analyse etwa für die Anzeige spezieller Banner verwendet wird. Leibowitz versicherte, dadurch wachse das Vertrauen der Verbraucher ins Netz, sie wickelten dann eventuell noch mehr Geschäfte online ab.
Der Berater Ashkan Soltani wies in der Anhörung darauf hin, dass Konsumenten vor allem mehr Einsicht darin bräuchten, wie ihre Daten verwendet werden. Effektive Datenschutzinstrumente bedürften seiner Ansicht nach eine technische und eine unterstützende rechtliche Komponente. Chris Calabrese von der US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) sorgte sich, dass "der Kapitalismus" einen "vollständigen Überwachungsstaat im Netz" errichten würde, wenn der Gesetzgeber der Datenjagd der Wirtschaft keinen Riegel vorschiebe. Das Center for Democracy & Technology (CDT) begrüßte ebenfalls die Ankündigung der Regierung, den Datenschutz im Netz zu stärken. Die zivilgesellschaftliche Vereinigung sprach von einem "historischen" Schritt. (anw)