US-Repräsentantenhaus sucht Mittel gegen "Patent-Trolle"

Bei einer Anhörung im US-Kongress zur Reform des Patentwesens machten sich Vertreter von Amazon.com und Time Warner für eingeschränkte Schadensersatzsummen bei Streitigkeiten um gewerbliche Schutzrechte stark.

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Vertreter aus der Wirtschaft taten sich bei einer Anhörung am gestrigen Donnerstag im US-Repräsentantenhaus über "Fakten und Fiktionen zu Patent-Trollen" schwer, den typischen Parasiten des US-Patentsystems begrifflich dingfest zu machen. "Patent-Trolle" sind von US-Senatoren wie dem Demokraten Patrick Leahy bereits offen als Personen oder Organisationen charakterisiert worden, die das gegenwärtige US-Patentwesen für Rechtsstreitigkeiten missbrauchen und auf hohe Vergleichssummen oder Lizenzzahlungen setzen, ohne selbst etwas erfunden oder produziert zu haben. Die zu der Expertenrunde in dem für geistige Eigentumsrechte zuständigen Unterausschuss des Repräsentantenhauses Geladenen wollten den abwertenden Begriff aber lieber vermeiden, auch wenn die meisten von ihnen die von Leahy aufgezeichneten Gefährdungen nicht leugneten und Reformen anmahnten.

Dean Kamen, Erfinder des Segway-Motorrollers, stellte dagegen lakonisch fest: "Nach dem Lesen der Definition eines Trolls habe ich herausgefunden, dass ich selbst einer bin". Der Gründer der im Medizinbereich tätigen DEKA Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft betonte, dass es "etwas unfair und gefährlich sein könnte, Leute, die Produkte lizenzieren, als Trolle zu bezeichnen." Den Vorstoß der Abgeordneten Lamar Smith von den Republikanern und Howard Berman, einem Demokraten, mit dem Entwurf für einen Patent Reform Act den Missbrauch des Patentsystems durch Patent-Trolle zu unterbinden, bezeichnete er als bedrohlich für die eigentlichen Erfinder. Wenn er als "kleiner Mann" in eine große Firma gehe und mit ihr über die Entwicklung eines Produkts auf Basis einer eigenen Erfindung verhandle, brauche er ohne einen Patentschutz und das damit machbare Angebot zur exklusiven Verwertung der geschützten Idee gar nicht ankommen. Andernfalls würden Konzerne die persönlichen Rechte an Erfindungen häufig missachten.

Mit dem Reformentwurf wollen die Abgeordneten unter anderem erreichen, dass gerichtliche Anordnungen für den Verkaufsstopp patentverletzender Produkte nicht mehr so einfach wie bisher ergehen können. Kläger müssten dafür nachweisen, dass sie "irreparablen Schaden" erleiden. Patentverletzer sollen zudem nicht mehr mit bis zu dreifachen Schadensersatzforderungen zu rechnen haben. Geplant ist auch, eine neunmonatige Beschwerdefrist gegen neu gewährte Patente einzuführen.

Abgesandte von Amazon.com und Time Warner stärkten den Einbringern des seit einiger Zeit auf Eis liegenden Gesetzesentwurfs den Rücken. Paul Misener, Chef-Lobbyist des Online-Verkaufshauses, machte den Vorschlag, bei Patentansprüchen auf Geschäftsmethoden Schadensersatzforderungen erst mit der konkreten Kenntnisnahme des Beklagten über eine Patentverletzung anzusetzen. Keinesfalls sollten finanzielle Entschädigungen zudem länger als sechs Jahre nach Klageerhebung zurückgerechnet werden. Ferner machte sich Misener dafür stark, dass Zahlungen nur fließen sollen, wenn der Kläger beim Gang vor Gericht selbst ein Produkt anbietet oder vertreibt, das mit dem streitigen Erzeugnis oder Verfahren im Wettbewerb steht.

Amazon.com musste in den vergangenen Jahren selbst 60 Millionen US-Dollar an die US-Unternehmung Pinpoint zahlen, nachdem diese die Verletzung eines Patents im Bereich Kabel-TV geltend machte. Mit der Lizenzfirma Soverain schloss der E-Commerce-Riese einen Vergleich in Höhe von 40 Millionen US-Dollar wegen Streitigkeiten um das Verfahren zum Anbieten eines virtuellen Einkaufswagens. Smith konnte sich angesichts des Vortrags Miseners jedoch nicht die Frage verkneifen, ob Amazon.com mit seinem umkämpften 1-Click-Patent nicht selbst als Patent-Troll dargestellt werden könnte. Der Lobbyist verteidigte den vom US-Patentamt gerade überprüften Monopolanspruch als "radikale Abkehr vom Modell des Einkaufswagens". Zudem habe man das Schutzrecht nur gegen einen Wettbewerber in Stellung gebracht, der öffentlich einen Feldzug gegen Amazon.com angekündigt hatte. Gegen kleine Nutzer der patentierten Methode sei man bislang nicht vorgegangen.

Chuck Fish, Patentexperte bei Time Warner, setzte sich ebenfalls dafür ein, dass Schadensersatzforderungen nur in Fällen in Frage kommen sollen, in denen der Patenthalter seinen Anspruch auch tatsächlich in Form eines Produkts in die Praxis umsetzt. Das Hauptproblem sei aber, dass das US-Patentbüro nicht-gerechtfertigte Monopolansprüche austeile. Es gebe im Patentwesen zudem den gefährlichen Trend, dass Firmen mehr und mehr auf Rechtsstreitigkeiten spekulieren und immer weniger auf Produktinnovationen und ihre Absicherung durch die Schutzrechte Wert legen würden. (Stefan Krempl) / (pmz)