US-Sanktionen gegen Halbleiterhersteller: Krisenstimmung in China

China hat keine kurzfristige Antwort auf die US-amerikanischen Einschränkungen bei der Halbleiterfertigung. Im Hintergrund scheint es zu brodeln.

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(Bild: HomeArt/Shutterstock.com)

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Die chinesische Regierung zeigt sich wie gelähmt von den neuen US-Sanktionen gegen die lokale Halbleiterindustrie. Eine offizielle Reaktion bleibt aus und so recht scheint man auch keine Antwort zu haben. Im Hintergrund beruft das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) offenbar reihenweise Sitzungen mit Chipherstellern ein, die bislang aber viele Fragen offenlassen sollen.

Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung regierungs- und herstellernaher Quellen. Demnach sehen etwa YMTC als größter chinesischer Speicherhersteller und der Supercomputer-Spezialist Dawning Information Industry Co. ihre Zukunft gefährdet.

Die neuen Sanktionen der US-Regierung schneiden Chinas komplette Halbleiterindustrie von moderner Fertigungstechnik ab, was Chinas Bemühungen zum Aufbau einer unabhängigen Branche erheblich beeinträchtigt. Auch internationale Branchenschwergewichte wie der taiwanische Chipauftragsfertiger TSMC und der niederländische Ausrüster ASML halten sich an die Exporteinschränkungen. Das MIIT vertritt nach Bloomberg-Informationen derzeit den Stand, dass chinesische Hersteller mit den aktuellen Fertigungsmöglichkeiten und chinesischen Kunden als Abnehmer zumindest nicht pleitegehen sollen.

Präsident Xi Jinping schnitt das Thema auf dem 20. nationalen Kongress der Kommunistischen Partei Chinas lediglich an, ohne annähernd konkret zu werden: "Wir müssen der Entwicklung des Bildungswesens hohe Priorität einräumen, Chinas Eigenständigkeit und Stärke in Wissenschaft und Technologie ausbauen und uns auf Talente verlassen, um die Entwicklung voranzutreiben und zu fördern. Wir werden die Arbeiten zum Aufbau eines starken Bildungssystems, einer größeren wissenschaftlichen und technologischen Stärke und qualitativ hochwertiger Arbeitskräfte beschleunigen", sagte er.

Der Marktbeobachter Fathom China ordnet Chinas träge Reaktion ein: "Wenn Peking auf dem falschen Fuß erwischt wird, ist seine erste Reaktion immer langsam. Die Minister sind nicht befugt, eigenständig Entscheidungen zu treffen, sie brauchen die großen Bosse, um zu entscheiden. Und im Moment sind die großen Bosse mit dem Parteitag beschäftigt."

Kommende Reaktionen könnten derweil das Nachbarland Taiwan betreffen, wo die Chipauftragsfertiger TSMC und UMC die meisten ihrer Halbleiterwerke betreiben. Langfristig will China Taiwan in die eigene Nation eingliedern – zur Not auch mit Gewalt.

In einer Podiumsdiskussion an der Harvard-Universität erklärte der US-Außenminister Antony Blinken, dass Chinas Politik bezüglich Taiwans in den vergangenen Jahren aggressiver geworden ist und die USA von einer Beschleunigung in der sogenannten Taiwanfrage ausgehen. Im Falle eines Angriffs versprachen die USA Taiwan wiederholt militärische Unterstützung.

"Was sich geändert hat, ist die Tatsache, dass Peking in den letzten Jahren eine andere Haltung gegenüber Taiwan eingenommen hat. Anstatt den Status quo beizubehalten, der in positiver Weise etabliert wurde, wurde die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass der Status quo nicht länger akzeptabel ist und dass Peking entschlossen ist, die Wiedervereinigung in einem viel schnelleren Zeitrahmen zu verfolgen", sagte Blinken. "Und wenn friedliche Mittel nicht funktionierten, dann würde es Zwangsmittel einsetzen – und möglicherweise, wenn Zwangsmittel nicht funktionieren, vielleicht gewaltsame Mittel – um seine Ziele zu erreichen. Und das ist es, was den Status quo zutiefst stört und enorme Spannungen hervorruft."

(mma)