USA: Weitergabe von Parallelimporten ausländischer Ware häufig illegal

Nach einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung ist in den USA die öffentliche Weitergabe von im Ausland hergestellten Waren ohne Zustimmung des Rechteinhabers häufig illegal. Das Urteil verunsichert viele Branchen und Wohltätigkeitsorganisationen, ist aber nur für einen Teil der USA bindend.

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Viele Produkte sind auf verschiedenen Märkten unterschiedlich teuer. Durch Parallelimporte aus günstigeren Märkten können Preise gedrückt werden. Dies missfällt vielen Herstellern. So verklagte der schweizerische Uhrenfabrikant Omega den US-Großhändler Costco, nachdem dieser echte Omega-Uhren in die USA importiert und unter US-Preisniveau verkauft hatte. Omega wirft Costco einen Verstoß gegen das Copyright vor. Zwar sind die Uhren selbst nicht urheberrechtlich geschützt, ein auf der Rückseite eingraviertes Logo ist aber in den USA nach dem Copyright Act registriert und genießt dadurch speziellen Schutz, der über das Markenrecht hinausgeht.

Das Erstgericht entschied zugunsten von Costco, doch das zuständige Berufungsgericht war anderer Auffassung. Im Kern geht es um die Frage, wann die First Sale Doctrin (Erschöpfungsgrundsatz) anwendbar ist. Diese Regel besagt, dass der Inhaber eines Schutzrechts (wie Patent, Urheberrecht oder Markenschutz) mit dem ersten Inverkehrbringen eines Stücks zahlreiche Rechte an dem jeweiligen Stück aufgibt. Somit dürfen in den USA ohne ausdrückliche Genehmigung Bücher verliehen, Autos weiterverkauft, Geschmeide vererbt und Gurkenhobel dem Kirchenflohmarkt gespendet werden. Zumindest solange alle Teile in den USA hergestellt wurden.

Denn das Berufungsgericht ging davon aus, dass US-Gesetze im Ausland nicht angewandt werden können. Sofern der Rechteinhaber der Weitergabe in den USA nicht zugestimmt habe, gelte die First Sale Doctrin des Copyright Act daher nicht für außerhalb der USA hergestellte Sachen. Costco rief den Supreme Court an und wurde dabei von zahlreichen Unternehmenn und Organisationen unterstützt, die vor drastischen Folgen für die US-Wirtschaft warnten (eine Eingabe von Public Knowledge als PDF-Datei).

Die im Sommer ernannte Richterin Elena Kagan entzog sich dem Verfahren, ihre acht verbliebenen Kollegen urteilten unentschieden (4 zu 4). Damit bleibt automatisch das von Costco angefochtene Urteil des Berufungsgerichts bestehen. Die Bindungswirkung beschränkt sich aber auf den im Westen gelegenen "Ninth Circuit", in dem knapp ein Fünftel der US-Bürger lebt. Gerichte in anderen Bezirken sind nicht gebunden, bis es in einem künftigen Verfahren zu einer Mehrheitsentscheidung im Supreme Court kommt.

Jeder einzelne Verstoß gegen den Copyright Act kann pauschale Schadenersatzansprüche von 750 bis 150.000 Dollar begründen. Nicht nur Online-Plattformen für Gebrauchtwaren wie Amazon, eBay und Craigslist sehen sich unlösbaren Problemen gegenüber, auch Autovermieter, Bibliotheken, Kirchen und Autobesitzer mit Verkaufsabsicht haben vielleicht ein Problem. Als besonders problematisch stellt sich dar, dass nun vor jeder öffentlichen Weitergabe, sei es Verkauf, Schenkung, Vermietung oder auch Einzelrechtsnachfolge nach einem Todesfall, die Herkunft des gesamten Produkts eruiert werden muss, wenn ein Teil oder ein angebrachtes Zeichen nach dem Copyright Act geschützt ist. Ist ein betroffenes Stück aus ausländischer Produktion, ist weiter zu erforschen, ob das konkrete Stück schon einmal in den USA weitergegeben wurde. Nur wenn alle Rechteinhaber einer solchen vorherigen Weitergabe des konkreten Stücks in den USA zugestimmt haben, greift die First Sale Doctrin und das Stück darf erneut weitergegeben werden.

US-Firmen, die sich vor internationalen Preiswettbewerb scheuen, haben nun einen Anreiz, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Es reicht dann aus, ein Logo in den USA (auch) nach dem Copyright Act zu registrieren (Kostenpunkt 35 Dollar) und dieses irgendwo auf jedem Stück anzubringen. Schon wird die öffentliche Weitergabe nach Parallelimport illegal. In manchen Fällen könnte es ein Schlupfloch geben: Betroffene können versuchen, ihre jeweilige Weitergabe als lediglich geringfügige Rechtsverletzung (de minimis) oder als Fair Use zu verteidigen. Allerdings sind das im Detail umstrittene Rechtskonstrukte mit geringer Rechtssicherheit. Im Europäischen Wirtschaftsraum kommt es zu EWR-weiter Erschöpfung der meisten Rechte, insbesondere des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts, sobald das jeweilige Stück in einem EWR-Mitgliedsstaat mit Zustimmung des Rechteinhabers in Verkehr gebracht wurde. (pmz)