USA gegen entwicklungspolitische Ausrichtung der WIPO

Die Vereinigten Staaten haben sich klar gegen eine Reform der World Intellectual Property Organization (WIPO) ausgesprochen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Vereinigten Staaten haben sich klar gegen eine Reform der World Intellectual Property Organization (WIPO) ausgesprochen. US-Vertreter in Genf lehnten eine Änderung der WIPO-Satzung, neue Gremien zur Absicherung eines stärker entwicklungspolitischen Kurses und einen Völkerrechtsvertrag über den Zugang zum Wissen ab, schreiben verschiedene Beobachter. Laut dem Fachorgan IP-Watch kam es zu einem regelrechten Duell zwischen der US-Delegation und Vertretern aus Brasilien, die als Kopf der Gruppe "Friends of Development" die Reformdebatte im vergangenen Herbst angestoßen hatten. Brasilien, Argentinien und weitere Entwicklungsländer hatten angemahnt, dass hohe Schutzniveaus beim Geistigen Eigentum ihren Ländern keinen Nutzen gebracht hätten und den Transfers von Technologie eher behindert als befördert hätten. Das entscheidende Treffen internationaler Regierungsvertreter endete gestern in einer Pattsituation, der Kampf geht nun bei der Generalversammlung der WIPO weiter.

Die USA wollen keine weiteren Sondersitzungen zu dem Thema, sagte Robin Gross, Direktorin der Bürgerrechtsorganisation IP-Justice gegenüber heise online. Dessen weitere Behandlung soll in einem ständigen Ausschuss zu Entwicklungspolitik und Geistigem Eigentum stattfinden. "Dieses Gremium tagt aber nur einmal alle zwei Jahre", sagt Gross. IP-Justice hat sich zusammen mit anderen Nicht-Regierungsorganisationen dezidiert hinter die Vorschläge der "Friends of Development" gestellt. Ein Völkerrechtsvertrag über den Zugang zum Wissen könnte laut Gross die Ansprüche der Nutzer betonen und auf deren Durchsetzung auch vor dem Hintergrund bestehender Schutzrechte hinweisen. "Die bestehenden Verträge bieten die Möglichkeit einer flexiblen Auslegung und Umsetzung auch zugunsten der Nutzer, nur hat die WIPO bislang ausschließlich die Perspektive der Rechteinhaber vertreten", so Gross.

IP-Justice hat als Beleg dafür, dass Länder durch den immer strengeren Rechteschutz in ihrer Entwicklung zu Industrienationen behindert werden können, ein schlagendes Beispiel angeführt: die lange Missachtung von Autorenrechten in den USA. Der US Copyright Act von 1790 schloss Nicht-US-Autoren ausdrücklich vom Urheberrechtsschutz aus, heißt es in der IPJ-Studie zur Geschichte der Piraterie in den USA. Zwischen 1800 und 1860 waren die Hälfte der US Bestseller geklaute Englische Novellen. Bis weit ins 20. Jahrhundert wurden Nicht-US-Autoren die Rechte durch komplizierte Auflagen verwehrt, die den Druck von Belegexemplaren in den USA vorschrieben. Erst 1988 trat der heutige, feurigste Verfechter des Rechteschutzes überhaupt der Berner Konvention bei. "Der eigene Weg der Vereinigten Staaten zu wirtschaftlicher Entwicklung zeigt, dass ein an die Situation eines Landes angepasstes Schutzniveau für das Geistige Eigentum am besten für dessen Weiterentwicklung. Leider verwehrt die USA heute ärmeren Ländern genau diesen Weg, indem sie Maximalanforderungen beim Geistigen Eigentum erhebt, auf Kosten des öffentlichen Interesses."

Auch die Free Software Foundation Europe (FSFE), warnte erneut davor, dass ein falsch verstandener Schutz von Urheberrechten und Patenten genau das behindere, was er eigentlich befördern wolle: Innovation, Kreativität und Fortschritt.

FSFE-Fellow Karsten Gerloff, der ausführlich vom Treffen berichtete, äußert sich in seinem Blog sich enttäuscht über Äußerungen aus der deutschen und der britischen Delegation im Verlauf des Treffens. Die Idee einer entwicklungspolitischen Agenda sei furchtbar, beginne sich zum Glück aber bereits abzunutzen, zitiert Gerloff einen deutschen Vertreter. Ein britischer Vertreter äußerte laut Gerloff, Unverständnis über die Hartnäckigkeit der Development-Agenda-Fraktion. Die britische Delegation hatte für die EU einen "Kompromissvorschlag" vorgelegt, der die Fortführung der Debatte bei weiteren Treffen bis 2006 vorschlägt, gleichzeitig aber auch empfiehlt, erst einmal die weniger kontroversen Punkte zu behandeln. Der Völkerrechtsvertrag über den Zugang zum Wissen, das von den Entwicklungsländer geforderte WIPO Research and Evaluation Office (WERO) und ein eigenes Komitee zum Technologietransfer würde dabei unter den Tisch fallen. (Monika Ermert) / (mw)