Überwachungsskandal in der Türkei sorgt für Aufregung
Angeblich wurden in der Türkei Tausende Politiker von der Polizei abgehört. Doch es gibt Zweifel an der Geschichte. Derweil wurden Telefon-Mitschnitte veröffentlicht, die Korruptionsvorwürfe gegen Premier Erdoğan bestätigen sollen.
Tausende hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter der Türkei, darunter auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, sollen teilweise jahrelang von der Polizei ihres Landes abgehört worden sein. Das berichtet die Hürriyet Daily News unter Berufung auf verschiedene Medienberichte. Auch die Tageszeitung Today's Zaman behandelt die Anschuldigungen, schreibt sie aber zwei regierungstreuen Zeitungen zu: Ähnliche Meldungen in derartigen Medien hätten sich bereits mehrfach als unwahr herausgestellt. Unterdessen wurden Mitschnitte von Telefonaten Erdoğans veröffentlicht, woraufhin Rücktrittsforderungen lauter werden.
Der Hürriyet Daily News zufolge sollen die Listen mit den Telefonnummern der überwachten Personen im Büro des Istanbuler Staatsanwalts gefunden worden sein, nachdem dieser im Rahmen massenhafter Entlassungen sein Amt verloren hatte. Als Überwachungsziel werde darauf unter anderem auch Hakan Fidan, der Chef des türkischen Nachrichtendiensts MİT genannt. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Arınç habe inzwischen bestätigt, dass in 107 Dokumenten die Telefonnummern von 2280 überwachten Personen gefunden wurden. Einige Medien würden aber bereits von bis zu 7000 Zielen sprechen. Adnan Çimen, der als Staatsanwalt die Überwachung angeordnet haben soll, habe dem widersprochen und erklärt, es sei "einfach nicht möglich, 7000 Personen zu überwachen".
Today's Zaman wiederum schreibt, die meisten Oppositionsparteien hätten die Berichte inzwischen zurückgewiesen. Derartige Meldungen würden von der Regierung lanciert, um das Bild von einem angeblichen Staat im Staate zu untermauern. Quellen aus der Polizei hätten der Zeitung dagegen versichert, dass man dort gar nicht die technischen Kapazitäten habe, um die Telefone von 7000 Personen zu überwachen. Im ganzen Land würden gegenwärtig 2500 Personen überwacht, zitiert die Zeitung eine anonyme polizeiliche Quelle. Angesichts der langwierigen Prozedur zur Genehmigung einer Überwachung sei es auch nicht möglich, dass die Regierung von solch einer großen Aktion nichts wisse.
Auch wenn die Meldung von der tausendfachen Überwachung also mit höchster Vorsicht behandelt werden sollte, sorgen nun im Internet veröffentlichte Mitschnitte für Wirbel, die angeblich von Erdoğan stammen sollen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wurden auf Youtube Aufnahmen online gestellt, auf denen zu hören sein soll, wie Erdoğan seinen Sohn anweist, Geld aus dem Haus zu schaffen. Dabei gehe es um mehrere zehn Millionen Euro. Diese Aufnahmen geben den Korruptionsvorwürfen gegen den türkischen Ministerpräsidenten neue Nahrung, aus der Opposition sei bereits dessen Rücktritt gefordert worden.
Die gesamte Geschichte scheint Teil des seit Monaten andauernden Machtkampfs in der türkischen Führung, der vordergründig durch die Proteste am Gezi-Park und deren Niederschlagung ausgelöst wurde. Das entfremdete die regierende AKP und die einflussreiche sogenannte Gülen-Bewegung, bevor es dann im Rahmen des massiven Korruptionsskandals, in den auch Erdoğans Familie verwickelt sein soll, zum völligen Bruch kam. Beide Seiten bekämpfen sich derzeit und werfen sich gegenseitig vor, eine Schmutzkampagne zu betreiben. (mho)