Unfallexperten weisen auf Gefährdung von Smartphone-Zombies hin

Fußgänger, die im Straßenverkehr auf Smartphones starren, leben gefährlich. Die Smartphone-Zombies seien besonders durch leise Straßen- oder Stadtbahnen gefährdet.

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Unfallexperten weisen auf Gefährdung von Smartphone-Zombies hin

(Bild: Pixabay / CC0)

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Der Präventionsexperte Jürgen Ell des Karlsruher Polizeipräsidiums hat auf die zunehmende Gefährdung von Fußgängern, die durch Smartphones vom Straßenverkehr abgelenkt sind, hingewiesen. Besonders junge Menschen, die auf ihr Smartphone-Display starren, Textnachrichten eingeben und gleichzeitig mit Kopfhörern Musik hören, seien davon betroffen. Als Smartphone-Zombies, kurz Smombies, können sie am Straßenverkehr nicht mehr sicher teilnehmen und seien hauptsächlich durch leise Straßen- und Stadtbahnen gefährdet, die dann leicht übersehen und überhört werden können.

Jüngster Fall ist der Tod einer 17-Jährigen: Das Mädchen überquerte Mitte Januar an einer Haltestelle in Karlsruhe die Schienen und erlitt beim Zusammenprall mit einem Zug tödliche Kopfverletzungen. Nach Polizeiangaben war sie von ihrem Smartphone abgelenkt und trug Kopfhörer.

"Das nimmt immer chaotischere Zustände an", sagt Ell besorgt und kritisiert das Verwenden der Kombination aus Smartphone und Kopfhörer im Straßenverkehr. Die zumeist jungen Leute seien damit "total weg". Aus den Unfallstatistiken sei bisher zwar noch kein eindeutiger Trend zu Smombie-Unfällen abzulesen, aber das soll nach Ansicht des Experten vor allem an der Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer liegen, die Unfälle mit den meist langsam gehenden Smombies verhindern würden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 2016 in Deutschland 40 Tote durch Stadtbahnen, wie viele davon im Zusammenhang mit Fußgängern stehen, die von ihrem Smartphone abgelenkt waren, gibt die Statistik allerdings nicht her.

Jürgen Ell mit seiner Meinung nicht alleine da. Auch Christian Keller, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) bemängelt das hohe Unfallrisiko von Fußgängern durch Smartphones im Straßenverkehr: "Die meisten Verkehrsteilnehmer sind sich nicht über das enorme Risiko im Klaren, das entsteht, wenn sie zum Smartphone greifen."

Ein besonderes Risiko soll von Straßen- und Stadtbahnen ausgehen. Smombies überquerten die Gleise, ohne sich zu vergewissern, ob ein Zug anrolle. Die Bahnen haben einen erheblich längeren Bremsweg als Autos und können bei Gefahr nicht immer rechtzeitig zum Stillstand kommen.

Die in Fußgängerzonen meist geltende reduzierte Geschwindigkeit der Bahnen, soll dagegen helfen, denn in solchen Zonen passiere trotz großen Menschengewimmels relativ wenig. Für die Fahrer ist es dennoch schwierig, in dieser Situation die Menschenmassen zu überschauen, sagt Betriebsleiter Ralf Messerschmidt von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK). Allerdings hätten die Fahrer mittlerweile ein recht gutes Gespür entwickelt. "Vor Überraschungen sind wir natürlich trotzdem nie gefeit."

Einige Verkehrsbetriebe haben bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet. So wurden beispielsweise Bodenampeln mit rotem Licht installiert. Sie sollen für Fußgänger, die mit gesenktem Kopf auf ihr Mobiltelefon im Straßenverkehr unterwegs sind, besser erkennbar sein. In Köln konnten die so installierten Ampeln allerdings keine Verhaltensänderung bewirken, wie eine Auswertung ergab.

Andere Verkehrsbetriebe setzen auf Plakatkampagnen und Hinweise über eine Smartphone-App wie in Frankfurt am Main. Deutlich rigoroser geht es im Ausland zu: In Honolulu auf Hawaii müssen Fußgänger mit empfindlichen Geldstrafen rechnen, wenn sie beim Überqueren der Straße auf ihr Smartphone gucken.

In Deutschland setzt die Polizei stärker auf eine persönliche Ansprache zur Aufklärung von Smombies. Nach Angaben des Sicherheitsexperten Jürgen Ell seien die Reaktionen meist freundlich und einsichtig. Geht es nach DVR-Geschäftsführer Christian Keller, so müsste die präventive Ansprache bereits deutlich früher in den Schulen erfolgen.

Einen cleveren Ansatz für eine Unfallvermeidung soll die Antikollisions-App ZF X2Smart liefern: Smartphones von Fußgängern und Autos könnten sich gegenseitig vor möglichen Kollisionen warnen. (Mit Material der dpa) / (olb)