Urteil: 1&1 darf sich weiter des "modernsten Netzes Europas" rühmen

Die Telekom hat obergerichtlich erstritten, dass 1&1 seine Werbung für "5G zu Hause" ändern muss. Seinen Open-RAN-Ansatz kann der Herausforderer weiter feiern.

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(Bild: Shutterstock/Juan Aunion)

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1&1 darf weiterhin damit werben, das "modernste 5G-Netz Europas" zu errichten. Das Unternehmen aus Montabaur bezieht sich dabei auf seinen Ansatz mit dem offenen Mobilfunkstandard Open RAN (Open Radio Access Network). Damit wird es möglich, zumindest Teile der bisher von proprietärer Hardware ausgeführten Funktionen als Software zu virtualisieren und von klassischen Netzausrüstern wie Huawei, Ericsson, Nokia und ZTE unabhängig zu werden. Die Deutsche Telekom wollte es 1&1 untersagen lassen, sich damit als modernsten europäischen Mobilfunknetzbetreiber zu präsentieren. Vor dem Oberlandesgericht Koblenz ist sie mit den Antrag auf eine entsprechende Verfügung im Berufungsverfahren aber endgültig gescheitert.

Ändern muss 1&1 laut dem rechtskräftigen Urteil (Az.: 9 U 432/23) vom Dienstag aber seine Werbung für den Ende 2022 eingeführten Tarif "5G zu Hause". Der Tenor der Entscheidung liegt heise online vor. Demnach darf der neue Mobilfunknetzbetreiber bei Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro etwa nicht mehr "wörtlich oder sinngemäß" behaupten, mit dem "Fixed Wireless Access"-Angebot (FWA) seien DSL- oder Kabelanschlüsse Vergangenheit. Bei dem an gewisse Datenvolumen gebundene Tarifvarianten ist die Funkverbindung nicht für den mobilen Einsatz vorgesehen. Vielmehr soll sie das traute Heim mit einer maximalen Downloadgeschwindigkeit von 500 MBit/s versorgen.

Der Dienst war zum Start nur in wenigen Gegenden im Rhein-Main-Gebiet buchbar. Die Bundesnetzagentur leitete im April ein Bußgeldverfahren 1&1 ein, weil sich der Aufbau seines 5G-Netzes verzögert. Damals waren 14 Mobilfunkstandorte im Betrieb. Der Telekommunikationskonzern hatte 2019 bei der Frequenzauktion 5G-Spektrum ersteigert, das mit der Auflage verbunden war, bis Ende 2022 mindestens 1000 Standorte in Betrieb zu nehmen. Das Oberlandesgericht spricht bei "5G zu Hause" von "verfügbarkeitsbeschränkten Telekommunikationsangeboten", bei denen keine Festnetztelefonie eingeschlossen sei. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der erstinstanzlichen Auseinandersetzung vor dem Landgericht Koblenz werden dem Beschluss zufolge "jeweils gegeneinander aufgehoben".

Die Richter hätten bestätigt, freute sich 1&1 über die Entscheidung, dass das Unternehmen weiter "für sich in Anspruch nehmen kann, als europaweit erster und einziger Netzbetreiber vollständig auf die innovative Open-RAN-Technologie zu setzen und sich so deutlich von traditionellen Netzarchitekturen" zu differenzieren. Diese würden häufig von nur einem Ausrüster wie dem chinesischen Huawei-Konzern bereitgestellt. Mithilfe standardisierter Schnittstellen sei man in der Lage, "flexibel mit den sichersten und besten Herstellern zusammenzuarbeiten". 1&1 verzichte "von Beginn an auf Netzkomponenten aus China". Die Darlegung der Telekom, dass "5G zu Hause" keine herkömmlichen Sprachdienste bereitstelle, sei zudem "zwischenzeitlich obsolet".

"Das Oberlandesgericht Koblenz ist unserer Argumentation gefolgt und hat ein weiteres Verbot ausgesprochen, so dass 1&1 die Bewerbung ihres 5G-Produktes nicht wie in der Vergangenheit fortsetzen darf", kommentierte eine Telekom-Sprecherin das Urteil gegenüber heise online. "Leider hat sich das Gericht nicht unserer Auffassung angeschlossen, dass die Formulierung 'modernstes Netz Europas' eine irreführende Bezeichnung ist." Die Verfügbarkeit des Netzes von 1&1 beschränke sich "nach wie vor auf nur wenige Standorte", ein "nennenswerter Netzausbau" sei derzeit nicht wahrnehmbar. Man werde in dieser Sache aber trotzdem keine weiteren rechtlichen Schritte unternehmen. Gemischte Erfahrungen mit Open RAN hat die Telekom selbst auch bereits in Neubrandenburg gemacht.

(axk)