Foto von Fototapete verletzt Urheberrecht des Fototapeten-Fotografen

Ein deutscher Fotograf deckt Kleinunternehmer mit Abmahnungen und Klagen ein. Ihr Fehler: Sie haben seine Fototapete gekauft. Legal. Aber das Urheberrecht!

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Skupltur eines tief in gedanken versunkenen Mannes

(Bild: Hung Chung Chih / Shutterstock.com, Skulptur: Auguste Rodin, Der Denker)

Update
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Eine Deutsche vermietet eine Ferienwohnung. Fotos davon stellt sie online. Im Bildhintergrund pickt Tapete an einer Wand. Auf der Tapete ist unter anderem eine Tulpe aufgemalt. Und das macht die Vermieterin zur Rechtsbrecherin. Denn die Tulpenmalerei ist einem Foto nachgeahmt. Dessen Fotograf hat den Abdruck auf der Tapete zwar genehmigt, nicht aber die Vervielfältigung der Abbildung durch die Ferienwohnungsvermieterin. Für sie wird das richtig teuer.

[Update 2.3.2023 20:20 Uhr:] Die Justiz Nordrheinwestfalens hat das Anerkenntnisurteil aus ihrer Datenbank gelöscht und durch ein streitiges Urteil mit selbem Aktenzeichen ersetzt. Das bedeutet, dass die Beklagte die Möglichkeit für Rechtsmittel hatte. Ob diese Ergriffen wurde, ist nicht bekannt. heise online hat das Landgericht Köln am frühen Morgen des 28. Februar um Auskunft zu Form und Rechtskraft des Urteils ersucht; eine Antwort hat uns bislang nicht ereilt. [/Update]

Das ist kein Einzelfall, und keineswegs auf Tapeten beschränkt. Auch andere Gegenstände, die im Hintergrund online gestellter Fotos auftauchen, sind häufig urheberrechtsbeschwert. Daher überziehen einige Immaterialgüterrechtsinhaber mit gesteigertem Rechtsbewusstsein deutsche Kleinunternehmer seit einigen Jahren mit Abmahnungen zu jeweils tausenden Euro. Und womit? Mit Recht.

Zumindest laut einem ausführlichen Anerkenntnisurteil des Landgerichts Köln (Az. 14 O 350/21). "Durch das Einstellen in ihren eigenen Internetauftritt sowie in Buchungsportale hat die Beklagte die Fotografien des Klägers (...) öffentlich zugänglich gemacht", schreibt das Gericht, "Dies erfolgte auch rechtswidrig." Denn die notwendigen Rechte sind beim Kauf der Tapete nicht inbegriffen.

Die Beklagte hätte zusätzlich eine Lizenz erwerben müssen. Das kann theoretisch stillschweigend erfolgen, allerdings nur, wenn "unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist", dass das Nutzungsrecht eingeräumt wird. Das sei beim simplen Kauf einer Tapete von einem Händler nicht gegeben, meint das LG Köln.

Zwar gibt es in Paragraph 57 Urheberrechtsgesetz eine Ausnahme für unwesentliches Beiwerk: "Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind."

Das Gericht legt das besonders eng aus: Unwesentlich sei es nur, "wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird." Oder wenn dem inkriminierten Werk "keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der (Darstellung) zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist."

Vor zehn Jahren hätte das LG Köln das vielleicht anders gesehen. Doch 2014 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Leitentscheidung zum Urheberrecht gefällt: Ein Büromöbelhändler fotografierte eine in seinem Laden ausgestellte Sitzgruppe und veröffentlichte das Bild in seinem Katalog; im Hintergrund des Fotos hing ein Gemälde an der Wand. Dessen Maler und der Händler hatten vereinbart, das Gemälde vorübergehend in dem Möbelgeschäft auszustellen, danach ging es zurück an den Maler.

Diese Vereinbarung umfasste aber keine Vervielfältigungen. Da das Gemälde nur im Hintergrund eines einzelnen Bildes eines ganzen Möbelkatalogs zu sehen war, hielten Landgericht und Oberlandesgericht Köln das Gemälde für ein unwesentliches Beiwerk. Doch der BGH entschied anders, was den Möbelhändler teuer kam.

Jetzt folgt das LG Köln dieser BGH-Entscheidung (Az. I ZR 177/13 Möbelkatalog) – obwohl Urheberrechtsverletzungen schuldhaft, jedenfalls fahrlässig, erfolgen müssen. Denn auch das sieht das Gericht als gegeben an: Beim Urheberrecht gelte eine strenge Sorgfaltspflicht. "Derjenige, der von fremden Lichtbildern Gebrauch macht, indem er diese in seinem Internetauftritt veröffentlicht, muss sich vergewissern, dass dies mit Erlaubnis des Berechtigten geschieht. Insoweit besteht eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht." Praktisch ist das schwierig. Eine Tapeten-Verwertungsgesellschaft, die pauschale Lizenzen anbietet, fehlt in Deutschland noch.

Nicht geprüft hat das LG Köln den Widerspruch seiner Auslegung der Beiwerk-Ausnahme des deutschen Urheberrechts zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dort ist das Recht auf freie Meinungsäußerung verbrieft. Im Unterschied zum Gemälde der Möbelkatalog-Entscheidung kann eine Tapete nicht zerstörungsfrei von der Wand genommen werden. In so einem Fall führt die enge Auslegung der Beiwerk-Ausnahme schnell dazu, dass bildliche Äußerungen im Internet unterdrückt werden. Allerdings lässt die Kölner Urteilsbegründung vermuten, dass die Beklagte dieses Argument nicht vorgebracht hat.

Sogar direkt im Urheberrecht könne man die Entscheidung anfechten, meint Rechtsanwalt Marcus Beckmann von der Bielefelder Kanzlei Beckmann und Norda: "Es lässt sich sehr wohl argumentieren, dass bei Kauf einer Fototapete entsprechende Nutzungsrechte auch für die Verbreitung im Internet auf den Käufer übergehen, soweit die Tapete dem Vertragszweck entsprechend genutzt und in diesem Zusammenhang wiedergegeben wird", führte er gegenüber heise online aus.

Schließlich müsse der Verkäufer damit rechnen, dass die Tapete auch verwendet wird und auf Fotos auftaucht. "Ebenso lässt sich mit guten Gründen vertreten, dass die Fototapete, und in anderen Fällen auch andere Gegenstände, nur unwesentliches Beiwerk nach Paragraph 57 Urheberrechtsgesetz ist, da ja das Hotelzimmer abgebildet werden soll" und nicht vorrangig die Tapete, argumentiert Beckmann. Er befasst sich regelmäßig mit Urheberrecht und hat auf Mastodon auf das Kölner Urteil aufmerksam gemacht. Allerdings hatte die Beklagte das Risiko, auch in der Berufung zu verlieren, was weitere Unkosten bedeutet hätte, zeigt Beckmann Verständnis für die Aufgabe.

Joerg Heidrich

"Die Entscheidung des Landgerichts zeigt eindrucksvoll, wie wenig das reichlich überzogene Urheberrecht inzwischen für einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sorgt", kommentiert Heise-Justiziar Joerg Heidrich das Kölner Urteil, "Im Endeffekt verlangt das Gericht hier ernsthaft von dem Käufer einer Tapete, sich vorab mit der Lizenzierung der abgebildeten Fotos auseinanderzusetzen. Es muss prüfen, ob er Fotos seiner Wohnung, auf der der Wandschmuck zu sehen ist, überhaupt ins Netz stellen darf. Versäumt er dies, droht eine Abmahnung und eine Zahlung im mittleren vierstelligen Bereich. Nicht nur dieser Fall zeigt, dass in vielen Bereichen die Ansprüche aus dem Urheberrecht viel zu weit gehen und Missbrauch Tür und Tor geöffnet sind."

Viele Betroffene scheuen die Öffentlichkeit. Anders Markus Hawner, Betreiber der Whiskytruhe im Ort Schmelz im Saarland. Er hatte eine Wand seines Ladens mit einer Fototapete beklebt und dann vor der Wand abgestellte Ware online hergezeigt. Die Tapete war mit im Bild. In mehreren Youtubevideos schildert er seinen Schock und Unmut über die Abmahnung, die ihn um die 5000 Euro zuzüglich eigener Anwaltshonorare kostet. Er hat die Tapete inzwischen übermalt, muss aber trotzdem zahlen. Besonders absurd findet er den verrechneten Zuschlag wegen Nicht-Nennung des Urhebers: Woher er wissen solle, wer der Fotograf für die ordnungsgemäß gekaufte Fototapete war?

Offen ist, wie das LG Köln bei rein privater Nutzung entschieden hätte, beispielsweise beim Upload einer vor einer Tapete aufgenommenen Szene des Familienlebens. Grundsätzlich unterscheidet der Beiwerk-Paragraph nicht zwischen kommerziell und privat. Sicher ist, dass Deutschland für Gewerbetreibende ein urheberrechtliches Minenfeld ist. Andere Gerichte hätten vielleicht anders entschieden, was aber nichts nutzt: Deutschland hält bei Fällen mit Online-Bezug immer noch am fliegenden Gerichtsstand fest. Kläger können sich ein beliebiges deutsches Landgericht aussuchen, und wissen jetzt, dass sie in Köln Gehör finden.

Die einzige sichere Herangehensweise ist, nur Gegenstände abzulichten, die man selbst entworfen hat oder deren Urheberrecht garantiert abgelaufen ist. Da dieses inzwischen 70 Jahre nach dem Ableben des Urhebers weiter gilt, sind nur vor ~1850 erzeugte Sachen urheberrechtlich garantiert gefahrenfrei. Kennt man die gesamte Liste aller möglichen Miturheber eines Werks nicht, muss man davon ausgehen, dass wenigstens einer der (Mit)Urheber ein biblisches Alter erreicht hat. Dazu addiert man dann 70 Jahre plus die Zeit bis zum Ablauf des Kalenderjahres, also eigentlich rund 71 Jahre. Derzeit sind nur Werke gemeinfrei, deren letzter Urheber 1952 oder früher gestorben ist.

Auch gegen das Abmahnunwesen, wo Abmahnungen weniger der Durchsetzung von Rechtsansprüchen, sondern mehr der Generierung von Anwaltsgebühren dienen, sind Deutsche schlecht geschützt. Im Wettbewerbsrecht ist die Geltendmachung von Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie missbräuchlich ist. Für das Urheberrecht gibt es diese Einschränkung nicht, wie das LG Köln ausdrücklich festhält.

[Update] Die Beklagte hat im Verfahren offenbar wenig Chance gesehen und den Anspruch des Fotografen anerkannt. [/Update] Die für die Abmahnung fälligen 1003,40, Euro, die Verfahrenskosten und das Honorar das eigenen Anwalts sind nur der Anfang. Sie muss außerdem Auskunft darüber geben, wie lange die rechtsbrecherischen Fotos online waren. Erst auf dieser Basis kann berechnet werden, wie viel Geld dem Kläger nach deutschem Recht für die Urheberrechtsverletzung zusteht.

Der Kläger heißt Cama Ventures. Das ist die kanadische Firma des deutschen Fotografen Stefan Böhme. "Stefan Böhme ist Fotograf, Künstler und Unternehmer. Er reist an die schönsten Orte der Welt und hält dort hauptsächlich Food (sic), Landschaften und Architektur mit der Kamera fest. Er lebt mit seiner Familie auf Bali, Koh Samui und Mallorca", beschreibt er sich in einem Online-Shop. Böhme lässt am LG Köln mehrere Klagen gegen deutsche Fototapetenurheberrechts-Brecher führen, die nach Abmahnung nicht gezahlt haben.

(ds)