"VAX-Man": Computer-Ingenieur Gordon Bell mit 89 Jahren verstorben

Die zuverlässigsten Teile eines Rechners sind die, die man weglässt – ein Nachruf zum Tode von Gordon Bell.

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Ein Portraitfoto von Gordon Bell

Gordon Bell ist im Alter von 89 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben.

(Bild: Queensland University of Technology, Attribution, via Wikimedia Commons)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Er war der "VAX-Man", der bei DEC den Mikrocomputer entwickelte. Dann saß er im Beirat, der das Bildungs- und Forschungsnetzwerk der USA konzipierte, heute als Internet bekannt. Später stiftete er einen Preis für Parallelrechner, der mittlerweile so etwas wie der Oskar für Hochleistungsrechner ist. Im Alter von 72 Jahren begann er, sein gesamtes Leben mit einem Megabyte pro Stunde zu digitalisieren. Nun ist Gordon Bell im Alter von 89 Jahren am 17. Mai an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.

Chester Gordon Bell wurde am 19. April 1934 in Kirksville im US-Bundesstaat Missouri geboren. Sein Vater besaß ein Elektronikgeschäft, die Mutter war Lehrerin. Der häufig kränkelnde Junge wurde zu Hause erzogen. Im Alter von fünf Jahren begann er, bei der Reparatur von elektrischen Geräten zu helfen. 1957 schaffte er seinen Abschluss als Elektronikingenieur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ging nach Australien, wo er den aus Großbritannien importierten Computer DEUCE (Digital Electronic Universal Computing Engine) programmierte.

Nach seiner Rückkehr ans MIT wollte er sich mit Spracherkennungssystemen beschäftigen, als ihn Ken Olsen zur frisch gegründeten Firma Digital Equipment Corporation (DEC) holte. Dort war er an der Entwicklung der PDP-1, PDP-5 und PDP-11 beteiligt. Nach der Arbeit bei DEC unterrichtete er sechs Jahre lang Computerdesign an der Carnegie Mellon University, ehe er 1972 als Leiter der Systementwicklung zu DEC zurückkehrte. "Ich war der 'VAX-Man' und werde für viele der VAX-Man bleiben", erinnerte er sich im Interview mit der Computerworld. "IBM baute Computer, die hinter Glas arbeiteten. Die VAX-Rechner waren vernetzte Systeme, die sich in Alltagsumgebungen behaupten mussten." Nach einem Herzinfarkt zog sich Gordon Bell aus dem stressigen Alltagsgeschäft bei DEC zurück, nur um mit den von ihm und seiner Frau Gwen gesammelten Teilen das erste Computermuseum seiner Art in Boston aufzubauen.

Als Beirat der National Science Foundation baute er in den 80er-Jahren die Computerabteilung der Stiftung auf und leitete schließlich die Planungsgruppe, die sich mit den Planungen für ein "National Research and Education Network" (NREN) beschäftigte. Parallel dazu stiftete er im Rahmen seiner Mitgliedschaft bei der ACM und IEEE den Gordon Bell Price für Parallelrechner, der heute eine der wichtigsten Preise für Fortschritte bei den Hochleistungsrechnern ist. Zwischen 1991 und 1995 beriet er Microsoft bei der Einrichtung der Forschungsabteilung, nur um selbst 1995 noch einmal in die Forschung zu Microsoft zu gehen.

Aufsehen erregte er im Jahre 2000 mit dem Projekt "MyLifeBits", in dem er, mit Scanner, Umhängekamera und Diktiergerät bewaffnet, sein gesamtes Leben digitalisierte. Mit einem Megabyte pro Stunde kam er bald auf einen Gigabyte pro Monat. Dieses "Life-Logging" war der Versuch, die Idee eines Memex von Vannevar Bush aus dem Jahr 1945 mit moderner Technologie nachzubilden. Alle Dokumente wurden digitalisiert, jedes Gespräch aufgezeichnet. Dazu nahm die Kamera alle 30 Sekunden ein Bild auf. Aus dem Projekt entstand das Buch "Total Recall", für das Bill Gates das Vorwort beisteuerte. Wer will, kann in dem neuen Ansatz von Microsoft Recall eine Verwandtschaft zu Bells Projekt sehen.

Gordon Bell erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. 1991 verlieh ihm US-Präsident George Bush die National Medal of Technology, 1992 war er der erste Träger der John-von-Neumann-Medaille des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). Als "Vater des Minicomputers" wurden ihm zwei Ehrendoktoren verliehen. "Das Ding ist, dass 99 Prozent dieser Computerindustrie nicht versteht, dass die Fortschritte in der Technologie die Industrie selbst zerstört", erklärte er in einem Interview. Aus diesem Satz wurde später "Bell's Law of computer classes".

(are)