VDSL-Vectoring: BREKO hält Koexistenz mit ADSL-Anschlüssen für möglich
Ersten Messungen zufolge wäre die Tür für Mitbewerber, die das bewährte ADSL2+ anbieten, auch an Kabelverzweigern offen, an denen die Telekom das Vectoring einsetzt. Dennoch fordert der Verband BREKO den Glasfaserausbau, auch in ländlichen Regionen.
Der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) hat einen Labortest zum Einsatz der Technik VDSL-Vectoring durchgeführt. Der Verband, in dem sich ein Großteil aller Festnetz-Wettbewerber der Deutschen Telekom zusammengeschlossen haben, hat untersucht, wie leistungsfähig die Vectoring-Technik ist, wie sie in der Praxis eingesetzt werden kann und wie sich das Vectoring bei gemeinsamer Schaltung mit dem klassischen ADSL im selben Leitungsbündel verträgt.
Vectoring unterdrückt den Störeffekt des Übersprechens zwischen benachbarten Leitungen in einem Bündel weitgehend. Dieser Prozess verlangt auf der Provider-Seite eine hohe Rechenleistung in den dafür ausgelegten DSLAMs. Das System errechnet für jede einzelne Kupfer-Doppelader eines Bündels die jeweiligen Störeinflüsse und sendet neben dem eigentlichen Nachrichtensignal ein abhängig von den errechneten Störeinflüssen erzeugtes Gegensignal in die jeweilige Doppelader. Hierdurch wird nahezu eine Eliminierung der durch Übersprechen entstehenden Störsignale erreicht.
Vectoring unterliegt jedoch bestimmten technischen Restriktionen. Zum einen bleibt die Dämpfung der Leitung ein limitierender Faktor – das heißt, der Vectoring-Effekt auf der Kupferleitung nimmt ab einer Leitungslänge von etwa 500 Metern deutlich ab und ist ab einer Leitungslänge von 700 bis 800 Metern praktisch nicht mehr feststellbar. Vectoring ist daher nur vom Kabelverzweiger (KVz) aus sinnvoll einsetzbar und setzt voraus, dass der KVz per Glasfaser beziehungsweise Richtfunk an das Backbone-Netz angebunden ist.
Der Vectoring-Labortest des BREKO wurde an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr.-Ing. Kristof Obermann durchgeführt. Die Projektleitung hatte die Chemnitzer Tele-Kabel-Ingenieurgesellschaft (TKI). Als Endgeräte wurden handelsübliche VDSL-Modems samt spezieller Vectoring-Firmware eingesetzt, die DSLAM-Hardware stammte von der Hannoverschen Firma Keymile. Für die Kompatibilitäts-Tests mit ADSL-Anschlüssen kamen verschiedene DSL-Modems von TP-Link, D-Link sowie Arcor in Verbindung mit einem DSLAM von Alcatel-Lucent zum Einsatz.
Ergebnisse des BREKO-Labortests
Selbst bei einem voll beschalteten Kabelbündel mit 50 Kupfer-Doppeladern sind bei Kabellängen bis 800 Metern Downlink-Datenraten bis 50 MBit/s realistisch; die Deutsche Telekom erlaubt in der Praxis eine maximale Beschaltung von 50 Prozent wegen der Übersprechen-Problematik. Die 50 MBit/s sind auch bei Aktivierung der Funktion "Downstream Power BackOff" zu erreichen (DPBO). DPBO wird eingesetzt, um die Sendeleistung der am Kabelverzweiger eingespeisten VDSL-Signale soweit abzusenken, dass andere Signale im Kabelbündel (ADSL, SDSL) nicht beeinträchtigt werden.
Beim Einsatz von VDSL2-Vectoring mit DPBO werden bestehende ADSL-Anschlüsse nicht stärker beeinflusst als durch reguläre VDSL-Anschlüsse. Die Datenraten der ADSL-Leitungen waren mit und ohne Vectoring ähnlich.
Umgekehrt konnten im BREKO-Labortest bei aktiviertem DPBO auch keine Störeinflüsse durch ADSL-Systeme festgestellt werden. Die Datenraten der VDSL-Anschlüsse blieben auch im Falle parallel geschalteter ADSL-Anschlüsse etwa gleich.
Professor Obermann sagt dazu: "Die im Labortest ermittelten Ergebnisse können je nach Netzstruktur abweichen. Auf die Resultate haben Kabel- und Aderdurchmesser oder auch die Anzahl von Stoßstellen wie Muffen Einfluß. Dennoch zeigt der Test, dass Vectoring in der Praxis wohl ohne nennenswerte Probleme eingesetzt werden kann.“ Der BREKO plant daher gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen die Durchführung eines Feldtests, um die bislang gewonnenen Ergebnisse zu festigen und weitere Erkenntnisse zum Vectoring zu gewinnen.
Vectoring kann Glasfaser nicht ersetzen
BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers betont unterdessen, dass Vectoring kein Allheilmittel für die Versorgung "weißer Flecken" oder für die Erreichung der Breitband-Ziele der Bundesregierung darstellt (unter anderem 50 MBit/s für alle Haushalte bis zum Jahr 2018). "Vectoring ist eine gute Technik, wenn sie dort eingesetzt wird, wo es Sinn macht. Bei hohen Leitungslängen, wie es gerade in ländlichen Regionen oft der Fall ist, brauchen wir aber Glasfaser-Netze, wie sie unsere Mitgliedsunternehmen auch bauen.“
Vectoring reizt die bestehende Kupfer-Infrastruktur weiter aus – kann einen Glasfaserausbau bis zum Endkunden aber nicht ersetzen (FTTB/FTTH). Der BREKO sieht in Vectoring daher eine sinnvolle Übergangstechnik, um die Bandbreiten vor allem bestehender Anschlüsse weiter zu erhöhen.
Das Vorgehen der Deutschen Telekom, welche Vectoring vor allem in ländlichen Regionen als Mittel der Wahl bewirbt, hält BREKO-Geschäftsführer Albers für unseriös – insbesondere in Fällen, in denen der Bonner Ex-Monopolist erst dann aktiv wird, wenn seine Mitbewerber einen Ausbau ankündigen, beispielsweise gerade per Glasfaser. Albers: "Wir stellen aktuell in einer ganzen Reihe von Fällen fest, dass die Telekom verstärkt auf Städte und Gemeinden zugeht, in denen bereits Carrier des BREKO in den Breitbandausbau investieren. Andere unterversorgte Gebiete lässt die Telekom hingegen links liegen.“ (dz)