Vatileaks-Verdächtiger festgenommen

Ein Kammerdiener des Papstes soll Zeitungen mit Geheimnissen und Gerüchten aus dem Kirchenstaat versorgt haben

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Seit Januar sucht man im Vatikan ein Leck, das Informationen über Vetternwirtschaft und interne Machtkämpfe an italienische Medien weitergibt. Die nannten den Fall in Anspielung an das Whistleblower-Portal WikiLeaks "Vatileaks". Durch die Vatikleaks-Affäre kam unter anderem ans Licht, dass Carlo Maria Viganò, der ehemalige Generalsekretär des Governatorats der Vatikanstadt, in einem Brief an den Papst gegen seine Ernennung zum Apostolischen Nuntius in den USA protestierte, weil er in ihr eine Maßnahme sah, die verhindert, dass er gegen Korruption bei der Auftragsvergabe vorgehen kann. Einen weiteren Bericht, in dem von einem geplanten Attentat auf Benedikt XVI. die Rede ist, bezeichnete der Vatikansprecher Federico Lombardi als "absurd" und drohte bei einem Abdruck der Dokumente dazu rechtliche Schritte an.

Vor einen Monat richtete der Papst eine Sonderkommission ein, um den Weg seiner Briefe und anderer Dokumente an die Öffentlichkeit aufzuklären. Nun nahmen übereinstimmenden Medienberichten zufolge drei dazu beauftragte Kardinälen den 46-jährigen Kammerdiener Paolo G. fest, weil sich in seinem Besitz Dokumente fanden, die nichts mit seinem Aufgabenbereich zu tun hatten. G. zählt seit sechs Jahren zusammen mit drei anderen Laien und vier Nonnen zur engsten persönlichen Umgebung Josef Ratzingers, der sich angeblich tief zerknirscht über den mutmaßlichen Missbrauch seines Vertrauens gezeigt hat.

Dem Daily Telegraph zufolge haben manche Beobachter Zweifel daran, dass der als eher schlichtes Gemüt beschriebene Kammerdiener wirklich hinter der Affäre steckt, und vermuten, dass ihm eine Falle gestellt worden sein könnte, um einen Sündenbock zu haben. Sollte Paolo G. für schuldig befunden werden, drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Seine Verhöre werden ebenso wie sein Prozess innerhalb des Vatikanstaats stattfinden. Allerdings will man italienisches Strafprozessrecht anwenden, das zwei Berufungsinstanzen vorsieht.

Die Festnahme G.s erfolgte einem Tag nach der Entlassung des Vatikanbankchefs Ettore Gotti Tedeschi, der es schaffte, den Kirchenstaat im März auf die US-Liste der wegen Geldwäscheverdachts beobachteten Staaten zu bringen. Kurz vorher hatte der vatikanische Chefexorzist Gabriele Amorth in der Tageszeitung La Stampa den Verdacht ausgebreitet, dass die 1983 unter mysteriösen Umständen verschwundene fünfzehnjährige Tochter eines Dieners Johannes Pauls II. einem Sexualverbrechen zum Opfer fiel, bei dem auch die Vatikanpolizei eine Rolle gespielt haben soll.