Venus: Lebensformen könnten Ammoniak in der Atmosphäre erklären

Auch weil sie nicht so gut erforscht wird, gibt uns die Venus Rätsel auf. Ungeklärte Anomalien könnten auf Lebensformen zurückgehen, sagt nun eine Hypothese.

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Künstlerische Darstellung möglicher Lebensformen in der Venus-Atmosphäre

(Bild: J. Petkowska/MIT)

Lesezeit: 3 Min.

Bisher nicht geklärte Anomalien in der Atmosphäre der Venus könnten durch simple Lebensformen erklärt werden, die sich in den Wolken der lebensfeindlichen Welt gewissermaßen einen eigenen Lebensraum schaffen. Das ist die Hypothese eines Forschungsteams, die jetzt der Fachwelt vorgestellt wird. Die vier berufen sich dabei auf einen möglichen Nachweis von Ammoniak in der Atmosphäre in den 1970er-Jahren.

Sollte es die Verbindung dort tatsächlich geben, gäbe es nach unserem Verständnis keinen chemischen Prozess auf dem Planeten, bei dem es entstehen könnte, schreiben sie. Stattdessen könnten Lebensformen das Gas produzieren, damit den Säuregehalt der Atmosphäre lokal verringern und kleine Regionen so lebenswert machen. Von der Erde seien solche Lebensformen bekannt, die extrem saure Umgebungen mit Ammoniak lebensfreundlich machen.

Die Gruppe um William Bains vom Massachusetts Institute of Technology erklärt, dass die Atmosphäre der Venus in Teilen weiterhin ein Rätsel bleibe, mit einer Reihe von Anomalien. Dazu gehörten das unerwartete Vorhandensein von molekularem Sauerstoff, sowie schwer zu erklärende Verteilungen von Schwefeldioxid und Wasser. Ihre Hypothese würde nun all das erklären, versichern sie. Dazu nehmen sie an, dass ein möglicher Nachweis von Ammoniak durch die Sonden Venera 8 und Pioneer Venus bestätigt wird. Das Gas würde sich dann in Tropfen von Schwefelsäure lösen und den extremen Säuregehalt deutlich verringern. An einigen Stellen in der Atmosphäre könnte der pH-Wert von extrem lebensfeindlichen -11 auf etwa 0 steigen – immer noch sehr sauer, aber unter Umständen lebenswert.

"Ammoniak sollte es auf der Venus nicht geben", erklärt Koautorin Sara Saeger. Dort sei einfach zu wenig Wasserstoff vorhanden. Jedes Gas, das nicht in den Kontext seiner Umgebung passe, sei aber automatisch verdächtig, von Leben zu stammen. Dass das Ammoniak – sollte es das Gas dort geben – von Leben stammt, sei die plausibelste Erklärung, erläutert das Team. Bei den effizientesten biologischen Prozessen zur Herstellung von Ammoniak entstehe auch molekularer Sauerstoff, dessen Vorhandensein sich erklären ließe. Auch die anderen Anomalien würden dadurch nachvollziehbar. Gleichzeitig sei aber ihre Hypothese nicht ohne schwierig zu erklärende Elemente, gestehen sie ein. So gebe es dort fast kein Wasser, aber alle uns bekannte Lebensformen bräuchten das. Ein Vorteil ihres Vorschlags sei aber, dass er vor Ort überprüft werden könnte. Dazu bräuchte es nur Sonden.

Die Hypothese zu möglichem Leben auf der Venus rückt einmal mehr in den Fokus, wie sträflich der innere Nachbarplanet der Erde in den vergangenen Jahren zugunsten des Mars vernachlässigt wurde. Während dort jede Menge Sonden kreisen und Rover unterwegs sind, wird die Venus aktuell nur von der japanischen Sonde Akatsuki aus dem Orbit erforscht. Venus Express der ESA hat bereits 2014 ihre Arbeit eingestellt. Im September 2020 hatten Berichte für Aufregung gesorgt, denen zufolge in der Atmosphäre der Venus Spuren eines Moleküls gefunden worden waren, das auf biologische Prozesse schließen lässt. Inzwischen ist das wieder vom Tisch, aber für Sonden vor Ort gebe es trotzdem jede Menge zu erforschen. Die Hypothese zu möglichen Lebensräumen in den Venuswolken ist nun im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.

(mho)