Verbraucherschützer fordern Tracking-Verbot​

Profilbildung setze gezielt auf Schwächen der Nutzer, der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert daher einen Neustart der E-Privacy-Verordnung​.

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Hand am Smartphone zeigt auf grünen Haken

(Bild: tete_escape/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Der Verbraucherzentrale Bundesverband will, dass die seit acht Jahren feststeckende E-Privacy-Verordnung auf EU-Ebene von der nächsten EU-Kommission komplett neu aufgesetzt wird. Ohne diese wäre die Wirkung der Datenschutzgrundverordnung etwa beim Tracking eingeschränkt. Die Verbraucherschützer plädieren dabei für ein Totalverbot von Profilbildung für Werbezwecke. Die Online-Werbewirtschaft widerspricht.

Zum sechsten Jubiläum des vollständigen Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) von der nächsten EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und dem kommenden Europaparlament eindeutige Maßnahmen zu einem besseren Schutz vor Tracking. Dafür müsse die DSGVO endlich durch eine wirksame E-Privacy-Verordnung ergänzt werden – und die brauche einen Neuanfang.

Die DSGVO sei ein "großer Gewinn", so die Vorsitzende des deutschen Dachverbands der Verbraucherschutzorganisationen Ramona Pop. "Aber die jetzigen Regelungen reichen nicht. Tracking und Profilbildung gehören verboten. Die Menschen wollen nicht, dass sie permanent getrackt und ihre Daten zu Profilen zusammengefügt werden, um ihre Schwächen auszunutzen."

Das zeigt auch eine von den Verbraucherschützern in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa: 70 Prozent der Befragten waren der Auffassung, dass Unternehmen Daten grundsätzlich nicht zu Profilen zusammenfassen dürften, um personalisierte Werbung zu erstellen. 89 Prozent gaben an, dass Unternehmen ihrer Meinung nach persönliche Daten nur nutzen dürften, wenn der Zweck klar sei.

"Das Missbrauchspotential personalisierter Werbung ist gewaltig und kann von der Manipulation von Kaufentscheidungen bis hin zu Diskriminierung reichen", sagt vzbv-Vorständin Pop. Die Kategorisierungen würden teils genau auf individuelle Schwächen zugeschnitten, etwa bei Glückspiel-affinen Menschen, Rauchern, Übergewichtigen, bei Affinität zu riskanten Geldanlagen oder als "fragile Senioren".

Die Digitalwirtschaft warnt hingegen vor einem Totalverbot: Die Technologie sei notwendig, um zu verhindern, dass Nutzer mit massenhaft irrelevanter Werbung konfrontiert werden, betont Dirk Freytag, Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW). Das derzeitige Finanzierungsmodell von Online-Angeboten basiere zu einem großen Teil darauf, dass relevante Werbung höhere Erfolgsquoten für Anzeigen und damit höhere Einnahmen für die Betreiber generiere. Dabei gehe es nicht um das Individuum, sondern um relevante Gruppen. Würde man das Tracking zu Werbezwecken und die damit verbundene Profilbildung verbieten, könnte dies dazu führen, dass Informationen zu einem Luxusgut würden. "Lassen Sie uns offen darüber reden, ob wir lieber viele Werbung ohne Relevanz sehen wollen, oder viel Inhalt sehen wollen, mit Werbung, die relevant ist", sagt Freytag.

Die Cookie-Consent-Banner seien ein Problem, kritisiert der BVDW-Präsident. Die DSGVO sei richtig, aber die Umsetzung und die Diskussionen seien nicht hilfreich. Mit DSGVO, Data Act, AI Act, DSA und weiteren sei ein teilweise widersprüchliches Wimmelbild entstanden – und Regelungslücken durch die auch acht Jahre nach Verabschiedung der DSGVO weiter fehlende E-Privacy-Verordnung. "Heute ist alles im Graubereich, einzelne Datenschutzbehörden interpretieren Tracking anders als andere, so dass wir eine Rechtsunsicherheit haben", meint Freytag. Das schade auch der Wirtschaft, weil es keine verlässliche Planung ermögliche. Der BVDW will eine größere Neuregulierung, sagt Freytag, um das "Wimmelbild endlich loszuwerden." Klare Regelungen für Datenschutz und Datennutzung seien nötig. Die könne auch mit anonymisierten Daten möglich sein - aber sei unverzichtbar im KI-Zeitalter.

Ob die bisherige Inkarnation des Trackings überhaupt eine Zukunft hat, hängt dabei nicht zuletzt von den Herstellern von Mobilgeräte-Betriebssystemen und Browsern ab. Apple hatte in den vergangenen Jahren einige Tracking-Technologien ausgesperrt, Google hat angekündigt, Drittanbieter-Cookies aussperren zu wollen, die auch heute noch die regelmäßige technische Umsetzung für das Tracking und die Profilbildung sind. Stattdessen will der Konzern selbst zentral Daten für zugeschnittene Werbung zur Verfügung stellen - was wiederum Wettbewerbsbedenken auslöst. Auch deshalb wurde der Start seit 2019 zwar getestet, aber vor allem mehrfach verschoben.

Ob die inzwischen 22 Jahre alte E-Privacy-Richtlinie in der kommenden EU-Legislatur eine echte Chance hat, überarbeitet zu werden, ist unklar. Von den großen, bislang im EP vertretenen Parteien jedenfalls hat sich keine gewagt, eine Überarbeitung als Wahlversprechen in ihrem Wahlprogramm für die Wahl am 6. Juni zu formulieren. Zuletzt scheiterte das Vorhaben aber eh vor allem an der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten untereinander: Die konnten im Rat keine gemeinsame Position finden.

(mack)