Vermittlungsausschuss winkt Telekommunikationsgesetz durch

Der neue Rahmen für die Wachstumsbranche steht, doch die Wirtschaft kritisiert zahlreiche Rückschritte beim Datenschutz.

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Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hat am Mittwochabend das zuvor in den Arbeitsgruppen des Gremiums ausgehandelte Kompromisspaket zum Telekommunikationsgesetz (TKG) gebilligt. Bis zum Schluss hatten Beobachter aus Politik und Wirtschaft befürchtet, dass einzelne Länder wie Bayern und Hessen noch die umstrittene Vorratsspeicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten der Nutzer in das Gesetz drücken würden. Doch das Parlament habe sich letztlich mit seiner Ablehnung dieses Vorstoßes durchgesetzt, freut sich Martina Krogmann, Internetbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion. Gegenüber heise online zeigte sie sich nach der "zügigen Beratung" im Vermittlungsausschuss erleichtert, dass "nach anderthalb Jahren Streit um das TGK endlich ein gutes Gesetz auf dem Tisch liegt".

Aus der Wirtschaft gibt es einiges Lob für den neu gestalteten Wettbewerbsrahmen. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) etwa spricht insgesamt von einem "tragfähigen Kompromiss". Genauso wie die großen ausländischen Netzbetreiber, die sich in der Initiative Europäischer Netzbetreiber (IEN) zusammengeschlossen haben, begrüßen die Wettbewerber der Deutschen Telekom unter anderem die neu geschaffenen Antragsrechte auf Verfahren gegen den rosa Riesen beim Missbrauch seiner Marktmacht und die drohenden verschärften Sanktionen. Als "innovativen Aspekt" des Gesetzes hat der IEN zudem die Aufnahme des Bitstromzugangs als Zugangsverpflichtung zum DSL-Netz der Telekom ausgemacht. Große Telekomkonkurrenten wie Tele2 schimpfen dagegen darüber, dass sie noch vier Jahre lang um den vollen Wettbewerb um die Anschlüsse des Altmonopolisten ausgeschlossen bleiben.

Kritisch beäugt die Wirtschaft die Änderungen am datenschutzrechtlichen Teil. Hannah Seiffert, Justiziarin beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, spricht aus Sicht der Internetprovider von "extremen Rückschritten bei den Überwachungsfragen". Der eco und der IEN sehen im Gegensatz zu Telekommunikationsexperten aus dem Parlament auch Hotels und Krankenhäuser von den kostspieligen Auflagen zur Bereithaltung der Abhörtechnik erfasst, da deren Netze letztlich der Öffentlichkeit zur Verfügung stünden und nicht zu den verschonten Corporate Networks gezählt werden könnten. Allein die weggefallende Begrenzung auf Anlagen mit über 1000 Teilnehmern schon im TKG -- und nicht erst in der nun von den Ländern abzusegnenden Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) -- hätte nach ihrer Ansicht Klarheit schaffen können.

Übel stößt beiden Verbänden zudem der Wegfall von Kostenerstattungen bei automatischen Abfragen von Verbindungsdaten auf. Die eingefügte Entschädigungsklausel verkommt ihrer Ansicht nach damit zur Farce. Große Rechtsunsicherheit sehen sie zudem durch die Einfügung einer erweiterten Passage aus dem Kabinettsentwurf fürs TKG in Paragraph 111. Darin heißt es nun, dass die privaten Hilfssheriffs "Auskünfte über Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder in diesen oder im Netz eingesetzte Speichereinrichtungen geschützt wird, insbesondere PIN oder PUK", auf der Basis einer Reihe von allgemeinen Paragraphen aus der Strafprozessordnung, der Polizeigesetze sowie der Ermächtigungsgesetze für die Nachrichtendienste geben müssen.

Bei den Verbandsjuristen hat die Klausel Bedenken ausgelöst, dass sich künftig jeder Polizist ohne Richtervorbehalt die Passwörter für Mailboxen von Handys oder gar von Webmail-Accounts besorgen kann. "Wir hätten es lieber gesehen, wenn die ganze Sache mit den PINs und PUKs draußen geblieben wäre", erklärt denn auch Peter Büttgen, Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten. Der umstrittene Paragraph enthalte aber zumindest einen klaren Hinweis auf das Fernmeldegeheimnis, der hoffentlich eine "disziplinierende Wirkung" auf die Sicherheitsbehörden entfalte. Das Einsehen von SMS oder Emails sei klar dadurch geschützt, die Ermittler dürften höchstens einen Blick in die Adressbücher verdächtiger Nutzer werfen.

Das Kompromisspaket wird nun noch am 14. Mai vom Bundestag offiziell verabschiedet und kann dann nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 1. Juli in Kraft treten. (Stefan Krempl) / (anw)