Verschärfung der Zollkontrollen zum Schutz geistigen Eigentums in der Kritik

Entwicklungsländer haben die Pläne der Weltzollorganisation für ein Abkommen zum besseren internationalen Schutz von Immaterialgüterrechten durch ausgeweitete Kontrollen von Im- und Exporten unter Beschuss genommen.

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Diverse Entwicklungsländer haben die Pläne der Weltzollorganisation (WZO) für ein Abkommen zum besseren internationalen Schutz von Immaterialgüterrechten an den Grenzen unter Beschuss genommen. Das Vorhaben zur verschärften Bekämpfung der Produktpiraterie sei bei zwei Treffen der Leitungsebenen der WZO vergangene Woche in Brüssel vor allem aus den Mitgliedstaaten Argentinien, Brasilien, China, Ecuador, Kuba und Uruguay unter Beschuss gekommen, berichtet der Fachdienst Intellectual Property Watch.

Die Unterzeichner eines kritischen Schreibens (PDF-Datei) haben demnach derzeit vor allem formale Einwände. Der von dem Magazin veröffentlichte Sachstandbericht über den internationalen WZO-Vertrag (PDF-Datei) stelle den Status Quo der Verhandlungen unter den Prämissen einer Führungsgruppe falsch dar. Die adäquate Einbeziehung aller Mitgliedsstaaten sei so nicht gesichert.

Die WZO will mit dem Abkommen Standards für die Einhaltung einheitlicher Durchsetzungsrechte schaffen. Die geplanten SECURE-Richtlinien (Standards to be Employed by Customs for Uniform Rights Enforcement) sollen die Basis für einen "globalen Kraftakt" liefern, um "allen Arten von Verletzungen geistiger Eigentumsrechte Halt zu gebieten". Die 171 Mitgliedsstaaten würden mit der Unterzeichung des "freiwilligen" rechtlichen Rahmenwerks anerkennen, dass die Zollbehörden eine "wichtige Rolle" beim Kampf gegen Verstöße etwa gegen Urheber-, Marken- oder Patentrechte einnehmen. Die Zollfahnder sollen zudem "jede Anstrengung" im Sinne dieses Zieles unternehmen.

Konkret geht es etwa darum, nicht nur Importe schärfer zu kontrollieren, sondern auch Exporte, dafür bestimmte Warenhäuser und zollfreie Handelsbereiche. Weiter sollen Lücken in bestehenden nationalen Gesetzen behoben werden, denen zufolge Soft- oder Hardware zum Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen sowie gecrackte Güter noch nicht an den Grenzen beschlagnahmt werden können. Zudem ist ein stärkerer Einbezug privater Firmen oder Verbände vorgesehen, die teilweise schon etwa in Form von Beiersdorf, DHL oder der Internationale Föderation der Phonographischen Industrie (IFPI) mit am Verhandlungstisch sitzen. Auch der Zunahme der Produktpiraterie durch das Internet und E-Commerce will die WZO mit der Entwicklung technischer Richtlinien für die Zollverwaltungen entgegenwirken.

Die besorgten Entwicklungsländer haben ohne China, dafür aber mit zusätzlicher Unterstützung durch Bolivien, Chile, Costa Rica und Kolumbien dem entscheidenden WZO-Rat vorgeschlagen, bis zum Erzielen eines Einvernehmens über die Vertragsbedingungen nicht über den vor allem von der EU und den USA forcierten Abkommensentwurf zu entscheiden. Den Entwicklungsländern müsse mehr Zeit bleiben, die vorgeschlagenen Standards richtig einzuschätzen, heißt es in einem Empfehlungsschreiben (DOC-Datei).

Forscher üben derweil scharfe Kritik an dem Vorstoß. Ihnen stößt unter anderem sauer auf, dass für internationale Rechtsempfehlungen im Bereich von Immaterialgütern eigentlich die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und die Welthandelsorganisation (WTO) zuständig sind. So sind die entsprechenden WIPO-Vorschriften im TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) festgehalten. Bestimmungen zur Überwachung von Importen oder Exporten auf möglicherweise widerrechtlich kopierte Medienträger an den Grenzen finden sich darin aber nicht. Wissenschaftler und Entwicklungsländer fürchten nun, dass mit den Verhandlungen im Rahmen der Weltzollorganisation eine Rechtsharmonisierung durch die Hintertür erfolgen solle.

Besorgt zeigt sich laut IP Watch etwa Susan Sell, Leiterin des Institute for Global and International Studies an der Elliott School of International Affairs in Washington. Ihr zufolge sind die geplanten Anti-Fälschungsbestimmungen und die Durchsetzungsrichtlinien "die jüngsten Mechanismen, um die Ziele der Maximalisten zur Verschärfung des Schutz geistigen Eigentums und dessen Durchsetzung weltweit zu erreichen". Viviana Muñoz Tellez von einer zwischenstaatlichen WZO-Gruppe der Südländer gibt zudem zu bedenken, dass die in den Raum gestellten Standards das Mandat der Zollvereinigung übersteigen könnten. Die Darstellung der Regeln als freiwillig hält sie für Augenwischerei, da aus der Basis solcher Vereinbarungen oft nationale Gesetze erwüchsen. Zudem sei von den Entwicklungsländern bislang nur Brasilien ernsthaft in die SECURE-Verhandlungen eingebunden. Muñoz moniert zudem, dass der private Sektor anscheinend direkt an dem geplanten Abkommen mitschreibe.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)