Vertrauen im Internet - noch möglich?

Heute ist in Bielefeld die dreitägige Konferenz über Vertrauen, Reputation und Gemeinschaft im Internet zu Ende gegangen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 163 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

"Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist", hieß es 1993, als die Hunde das Internet eroberten. Die massive Invasion der Spammer, Marketiers und Trolle setzte ein Ökosystem unter Druck, in dem es bis dahin kein großes Problem war, Vertrauen zum Gegenüber zu haben. Zwei oder drei Schritte oder Anfragen reichten häufig aus, um sich über die Identität eines Gegenübers Gewissheit zu verschaffen. Stanley Milgrams berühmtes, doch wahrscheinlich falsch interpretiertes Experiment der Weltverbindung in sechs Schritten waren im frühen Internet kein Problem, als die Netizens einander vertrauten.

Heute ist in Bielefeld die dreitägige Konferenz über Vertrauen, Reputation und Gemeinschaft zu Ende gegangen, auf der Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen das Thema behandelten. Soziologen, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler berichteten vom Vertrauen in Rechtssicherheit oder auch davon, wie auf eBay gehandelt wird und sich Vertrauen in Kaufakten herstellt, ganz ohne große Party für die Community.

Viele Vorträge drehten sich um die Frage, wie Vertrauen im heutigen Internet als einem Vehikel der Massenkommunikation transportiert werden kann. Margit Osterloh vom Institut für betriebswirtschaftliche Forschung der Universität Zürich stellte Open Source als Beispiel für das gegenseitige Vertrauen im Internet vor. Osterloh unterschied zwischen externen und internen Motivationsfeldern, die für die Reputation und das Vertrauen innerhalb der Open Source entscheidend sind. Externe Faktoren sind nach Osterloh etwa der Ruhm, an einem wichtigen Projekt mitgearbeitet oder einen wichtigen Bugfix publiziert zu haben. Während externe Motivationsfelder auch für Firmen, z. B. IBM, gelten, sind die internen Antriebe individuell: Spaß, Stammesdenken, persönliche Verpflichtung gegenüber den Teammitgliedern, sie nicht hängen zu lassen, machen die Antriebe laut Osterloh aus. Vertrauen entsteht, weil die Gemeinschaft Mittel besitzt, abweichendes Verhalten zu strafen, weil Scham wie Stolz Kategorien seien, die in der Open Source im Gegensatz zur Zivilgesellschaft noch eine Rolle spielten. Durch die öffentliche Natur der Codeproduktion und die öffentliche Speicherung aller Diskussionen könne sich jedes Mitglied über die Vertrauenswürdigkeit eines anderen informieren.

Die anregende Bielefelder Konferenz litt ein wenig unter der eindimensionalen Ausrichtung auf die universitäre Forschung. So wäre es sicher interessant gewesen zu untersuchen, wie Organisationen im Stil der Liberty Alliance oder von Microsoft Passport aus der Identifizierung eine Ware machen, die Vertrauen allein darauf reduziert, Waren kaufen zu können. Leider wurde die Idee eines Netzwerk des Vertrauens, eines Augmented Social Network, von der Veranstaltung schlicht ignoriert. Der nun an der Naval Postgraduate School lehrende Jan Hauser, der diese Theorie vertritt, habe schlicht nicht genug akademische Reputation, erklärte der Konferenzveranstalter. Auch so zeigt sich, wie Vertrauen funktioniert. (Detlef Borchers)/ (cp)