Verurteilter chinesischer Internet-Aktivist im Hungerstreik

Auch 14 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 in China sind noch 500 Teilnehmer in Haft.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Internetaktivist und Sozialreformer Xu Wei ist nach seiner Verurteilung zu zehn Jahren Haft am vergangenen Mittwoch in einen Hungerstreik getreten, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights in China (HRiC). Außer Xu Wei waren laut dpa der Ingenieur Jin Haike zu zehn Jahren sowie der Autor Zhang Honghai und der Computeringenieur Yang Zili zu acht Jahren verurteilt worden.

Xu Wei soll nach den Berichten besonders schwer durch Schläge und Elektro-Schocks misshandelt worden sein. Alle vier waren seit März 2001 in Haft und beklagten nach HRiC-Angaben Misshandlungen. Ihnen war "Untergrabung der Staatsgewalt" vorgeworfen worden, weil sie liberale Ideen diskutiert, Artikel über soziale Fragen ins Internet gestellt und eine "Neue Jugendvereinigung" gegründet hatten. Angehörige berichteten, dass Beamte sich weigerten, Nachrichten an die Inhaftierten weiterzuleiten. Ein Beamter soll unter Verweis auf die angespannte Lage wegen der Lungenkrankheit SARS kommentiert haben, es gebe jetzt keine Menschenrechte. HRiC-Präsident Liu Qing kommentierte, dass die chinesische Regierung nicht darauf hoffen könne, dass ihre Behandlung der vier Inhaftierten unbemerkt bleibe -- auch wenn sich so viel Aufmerksamkeit auf die SARS-Krise richte.

Auch 14 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China am 4. Juni 1989 sind nach Angaben von Menschenrechtlern noch mindestens 500 Teilnehmer in Haft. Einen Tag vor dem 14. Jahrestag des Massakers in der Nacht zum 4. Juni berichtete das Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie aus Hongkong, dass damals mindestens 1500 Menschen zu Haftstrafen von mehr als 15 Jahren verurteilt worden seien.

Die Familien der Opfer forderten erneut eine Untersuchung des Militäreinsatzes, Bestrafung der Verantwortlichen und Entschädigung. "Menschenrechte und Demokratie in China sind unauflöslich mit dem 4. Juni verbunden", sagte die pensionierte Professorin Ding Zilin, die an der Spitze eines Netzwerkes der Angehörigen steht, der Hongkonger South China Morning Post. Der frühere Studentenführer Wu'er Kaixi, der heute im Exil in Taiwan lebt, forderte anhaltenden internationalen Druck auf die kommunistische Führung in China. "Ich sehe einen Widerspruch zwischen Chinas raschen Reformen und Chinas Weigerung, seine Menschenrechte zu verbessern", sagte Wu'er Kaixi.

Das Informationszentrum in Hongkong erinnerte an das Schicksal von drei jungen Menschen, die 1989 wegen "konterrevolutionärer Verbrechen" zu 16 und 20 Jahren sowie lebenslanger Haft verurteilt worden waren, weil sie Farbe und Eier auf das Porträt von Mao Tsetung am Eingang zur Verbotenen Stadt in Peking geworfen hatten. Zwei seien inzwischen wieder freigekommen. Doch sei der zu 20 Jahren verurteilte Feuilleton-Redakteur Yu Dongyue weiter in der Provinz Hunan in Haft, weil er seine Schuld nicht zugeben wolle. Yu Dongyue sei im Gefängnis geschlagen und psychisch krank geworden. Die Bitte seiner Familie, ihn zur medizinischen Behandlung freizulassen, sei abgelehnt worden. (jk)