Videoportale und Verwerter verhandeln

Der eskalierte Streit zwischen GEMA und VideoTube wirft ein Schlaglicht auf die Bemühungen der deutschen Videoportale, sich mit den Ansprüchen der Rechteinhaber zu arrangieren.

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"Das ist ein richtiger Hammer", schimpft VideoTube-Chef Rudi Singer. Gerade hat die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA eine einstweilige Verfügung gegen sein Unternehmen erwirkt. Danach ist es dem mit rund 100.000 registrierten Nutzern im Verhältnis zur Konkurrenz kleinen Videoportal untersagt, Videos mit der Musik von verschiedenen Interpreten anzubieten. Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 4. Juli (Az. 28 O 350/07) zählt insgesamt 27 Titel auf, darunter Material von Rammstein, Bushido, Tokio Hotel oder Lafee. Die GEMA will für die Online-Nutzung auf dem Portal eine angemessene Vergütung. Entsprechende Verhandlungen waren von VideoTube zuvor abgebrochen worden. Daraufhin zog die Verwertungsgesellschaft vor das Kölner Landgericht, das die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung erließ.

Danach ist es VideoTube bei einem angedrohten Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zwar nur untersagt, die 27 aufgeführten Titel zu nutzen. Doch belasten die Anwaltskosten für den Streit mit der GEMA das Unternehmen schwer. Der Geschäftsführer weiß nicht, wie es jetzt mit dem Unternehmen weiter gehen soll. "Wir können es uns nicht mehr leisten", erklärt Singer, der auch noch eine Softwarefirma führt. Denn auch andere Rechteinhaber haben gegenüber VideoTube schon Ansprüche geltend gemacht. Jetzt überlegt er, einen Investor ins Boot zu holen oder das Videoportal ganz zu verkaufen – bei eBay.

"Wir haben beanstandete Inhalte immer sofort gelöscht", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Von der GEMA seien zudem astronomische Forderungen gestellt worden. So hätten die Verwerter bis zu 20 Prozent des Gesamtumsatzes von Videotube haben wollen (die GEMA konnte das nicht bestätigen, die normalen Tarife bewegten sich um 10 Prozent und darunter). Das sei einfach nicht machbar, meint Singer, Videotube müsse schließlich auch enorme Traffic-Kosten tragen. Schon bei den Löschanfragen seien die Verwerter sehr kleinlich gewesen. So hätten sie die Löschung von Videos verlangt, auf denen eine Person vor der eigenen Webcam ein Lied aus dem GEMA-Repertoire singt. Nachdem die GEMA auf verschiedene Vorschläge nicht eingegangen sei, habe man die Verhandlungen abgebrochen.

Für die GEMA macht es keinen Unterschied, ob Kinder vor ihrer Webcam singen oder ein professionelles Video zur Aufführung kommt – Abgaben werden bei öffentlicher Aufführung (und die es sich bei einem Video in einem öffentlichen Internet-Videoportal wohl unbestreitbar handelt) in jedem Fall fällig. Das sehe das Urheberrecht so vor, betont die Verwertungsgesellschaft. Über eine mögliche branchenweite Lösung spricht die GEMA derzeit mit den deutschen Videoportalen. In den Verhandlungen sollen sowohl die Nutzungsintensität als auch die Erträge der Portale berücksichtigt werden. Doch kann die GEMA nicht alle nötigen Lizenzen erteilen. In Europa sind für solche Nutzungsarten verschiedene Schutzrechte zu berücksichtigen, weshalb die Lizenzierung von Videoportalen nicht gerade trivial ist. Auch die Frage der Leistungsschutzrechte und gegebenenfalls der Herstellungsrechte muss geklärt werden. So muss zum Beispiel ein Künstler die Nutzung seiner Musik für bestimmte Zwecke erlauben – oder er kann sie verbieten.

Die Branche ringt also um geeignete Modelle, die den neuen Vertriebswegen und -formen im Internet gerecht werden. Googles Youtube ist sich immerhin schon mit der GEMA einig und zahlt erst einmal eine Pauschale. Darüber hinaus kann die die GEMA keine Rechte vergeben, die liegen zum Beispiel bei den Musikverlagen oder den Labels. Die sitzen derzeit noch nicht mit am Tisch, wenn die GEMA mit den anderen großen Videoportale verhandelt. Etwa mit Myvideo und der RTL-Tochter Clipfish, die auf ein Angebot der Münchner wartet. Auch die Kölner Sevenload "respektiert den Auftrag der GEMA", teilt das Unternehmen mit, und bietet für Urheber inziwschen ein Erlösbeteiligungsmodell an, das auf Vereinbarungen mit Rechteinhabern beruht.

Videotube könnte im intensiven Ringen der Konkurrenten mit der GEMA unter die Räder kommen. Für Singer ist klar, warum ausgerechnet sein Portal jetzt Ärger hat: "Da es nicht opportun ist, sich mit einem großen Fernsehsender anzulegen, gehen sie auf die Kleinen", sagt er im Hinblick auf die Beteiligungen von RTL und ProSiebenSat1 an zwei der großen Videoportale: Die GEMA wolle ein Exempel statuieren. Die Verwerter weisen das zurück. "Wir wollen eine baldige Lösung, damit diese Branche legal arbeiten kann", erklärt eine Sprecherin. Zum Nulltarif könne es die Rechte aber nicht geben. Wer sich wie VideoTube nicht mit den Verwerten einigt, muss also weiter auch mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Das Beispiel Videotube, so ist in München zu hören, werde wohl nicht das einzige bleiben. (vbr)