Vintage Computing Festival 2020: Fachsimpeln in Zeiten des Social Distancing

Coronabedingt konnte das Vintage Computing Festival Berlin nur virtuell stattfinden. Das hatte durchaus auch seine Vorteile.

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Vintage Computing Festival 2020: Fachsimpeln in Zeiten des Social Distancing

(Bild: Rainer Siebert, CC BY 4.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Das Vintage Computing Festival des Jahres 2020 fand auf vielfältige Weise im Browser statt. Wie in den Vorjahren gab es Vorträge, Workshops und eine Ausstellung alter Computer. Aus dem Nachteil eines virtuellen Treffens machte man einen Vorteil: erstmals konnten die Aussteller ihre komplette Sammlung zeigen. So stieg man in Oldenburg in ein "Bergwerk" von Kartons und Schachteln, in denen enthusiastische Sammler die Übersicht verloren hatten. Das Gegenteil war in der Umgebung von Vilbertshofen zu sehen: akkurat beschriftete und gestapelte Gitterboxen. Per Zufallsgenerator ausgewählt, begann dann ein lustiges "Retro-Unboxing" einer solchen Gitterbox.

Das Sammeln und Ausstellen alter Computer ist eigentlich ein sehr geselliges Hobby. Man trifft Gleichgesinnte, fachsimpelt ein wenig und hilft einander bei technischen Problemen. Bei solchen Treffen wie dem Vintage Computing Festival Berlin haben Sammler dazu ihre Stände aufgebaut, zeigen ihre schönsten Schätze und erklären den Schaulustigen, was die Schätzchen können oder konnten. Das alles ist derzeit nicht möglich und so machte man aus dem Zwang zum virtuellen Treffen eine Tugend: in den Vorträgen wurden ganze Sammlungen präsentiert, wie sie in den Lagern schlummern.

Auch Probleme des Sammlerlebens kamen zur Sprache, von den euphorischen Anfangen bis zur Ernüchterung nach 10 oder 20 Jahren eifriger Sammelei: raus mit dem Krams, die Enkelkinder sind wichtiger. Mit dem Vortrag eines richtigen Museums, dem Heinz Nixdorf Museumsforum, kam die andere Seite der Sammelei ins Spiel, die juristisch wasserdichte Schenkung, die deswegen wichtig ist, weil Erben mitunter große Wertsteigerungen vermuten, wenn ein Sammlerstück in den Vitrinen eines Museums auftaucht und nicht im Depot landet.

Zu all diesen gestreamten Vorträgen, die bald via media.ccc.de zum Nachgucken zur Verfügung stehen sollen, gab es anschließend über den BigBlueButton-Server laufende Frage- und Antwort-Runden, in die sich jedermensch einklinken konnte (sie wurden nicht aufgezeichnet). Neben den Vorträgen gab es Reparatur-Workshops, in denen mitunter das Bild arg wackelte und natürlich die Präsentationen der virtuellen Aussteller. Einige von ihnen werden über das Wiki des VCFB e.V. verfügbar gemacht werden, andere haben eigene Kanäle, auf denen man das Unboxing verfolgen kann.

Insgesamt wurden die 15 gleichzeitig verfügbaren Aussteller von 45 Personen besucht, während der Stream von 60 Teilnehmern geschaut wurde. Überrascht waren die Veranstalter, dass selbst die abendliche "begleitende Bildungsveranstaltung" mit Musik und Plausch noch von 50 Teilnehmern besucht wurde.

Natürlich lassen sich die Zahlen nicht mit einem realen Vintage Festival vergleichen, bei dem in der Technikstraße des deutschen Technikmuseums erfahrungsgemäß viel Laufpublikum dabei ist und das Schlendern zwischen den einzelnen Ständen der Aussteller Technikgeschichte erlebbar macht.

Dennoch versuchte man, so weit wie möglich das gewohnte Format beizubehalten. Selbst ein Publikumspreis für die schönste Ausstellungspräsentation wurde wieder vergeben. Ihn gewann Alexander Vollschwitz mit der Präsentation, wie man sich einen Sinclair Z80-Klon zusammenbauen kann. In dieser Hinsicht bot das virtuelle VCFB 2020 einen kleinen Vorgeschmack auf kommende Veranstaltungen mit BigBlueButton im Herbst und Winter: Computer kennen kein "Beherbergungsverbot"

(mho)